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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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könnte er sich nicht beherrschen. »Aber wenn es dir recht ist, gebe ich dir jetzt einen Kuss.«
    Und bevor ich etwas sagen kann, tut er es.
    Jetzt will ich gar nichts mehr sagen. Er fährt mir mit den Fingern über die Haare und stützt sich mit der anderen Hand an die Wand hinter mir, sodass ich eingesperrt bin. Mein Herz klopft wie verrückt und eine heftige Lust breitet sich auf meiner Haut über meinen Bauch und bis zu meinen Fingern und Zehen aus. Seans andere Hand legt sich fest auf meinen Rücken und zieht mich zu ihm. Ich erwidere seinen Kuss. Er stöhnt leise und weicht ein wenig zurück.
    Benommen blickt er mir in die Augen. Er atmet unregelmäßig. Mir ist, als explodierten in mir Sterne und als versänke ich immer tiefer in einem warmen, klaren See. Mit dem Finger streiche ich ihm über die Lippen.
    »Ich ertrage den Gedanken nicht, dich zu verlieren«, flüstere ich. »Und diesmal dachte ich, es wäre für immer.«
    Er nimmt meine Finger und verschränkt sie mit seinen. »So geht es mir täglich«, sagt er heiser, »täglich, Eva. Dein Leben hängt an einem seidenen Faden. Und ich will es festhalten, aber es rutscht mir immer wieder durch die Finger. Ich bin hier, weil ich hier sein muss. Das ist kein großes Opfer, ich will es so. Ohne dich bedeutet mir die Welt nichts. Ich brauche dich.«
    Ich wische mir mit dem Handrücken über die Nase und zwinkere die Tränen weg. »Und ich brauche dich auch, deshalb erschreck mich nie wieder so«, sage ich und lehne mich gegen seine Brust.
    Er tritt zurück und kneift die Augen zusammen. »Moment mal, woher weißt du eigentlich das mit den Spähern?«
    »Matthew hat es mir gesagt.«
    »Matthew?«
    »Er war hier.« Ich erzähle ihm, was passiert ist, fast Wort für Wort. Als ich sage, dass ich ihn suchen wollte, kneift er wieder böse die Augen zusammen, aber er sagt nichts. »Und dann«, schließe ich mit einem schiefen Lächeln, »hat er mich gewürgt, bis ich das Bewusstsein verloren habe.«
    Sean kann es nicht glauben. »Was will er? Veranstaltet er das ganze Theater nur deshalb, weil du ihn mit deiner Flucht beeindruckt hast? Weil es ihn amüsiert?«
    »Keine Ahnung. Ich verstehe ihn nicht. Er meint, auch die anderen hätten aufgegeben, ihn zu verstehen, und das kann ich nachvollziehen.«
    »Ich kann nicht glauben, dass er dich gewürgt hat!«
    »Ich schon«, sage ich ohne weitere Erklärung. »Aber egal. Jedenfalls hat Ophelia Adrian gesagt, dass ich zur Bank will.« Ihr Verrat schmerzt. »Haben die Späher dich dort gefunden?«
    Sean nickt. »Ich habe mit Ophelia gesprochen. Sie hat mir den Namen der Bank genannt, ich bin hingefahren, habe mit dem Filialleiter gesprochen und ihm den Schlüssel gegeben. Er hat mir die Kassette gebracht und ich habe sie geleert und alles in meiner Jackentasche verstaut. Es gab keine Probleme. Aber als ich die Bank verlassen wollte, habe ich sie gesehen. Dem einen fehlte ein Ohr, der andere hatte Narben im Gesicht. Aber das Unheimlichste an ihnen ist ihre vollkommene Lautlosigkeit. Sie wissen genau, was sie tun müssen, damit niemand sie bemerkt. Und erst der wachsame Blick, mit dem sie ihre Umgebung beobachten. Ich wusste sofort, wer sie sind, und bin losgerannt.«
    »Und der Bluterguss und die Kratzer …«
    »Ich dachte, sie würden sich sofort auf mich stürzen, aber sie haben gewartet, bis ich in eine abgelegene Gasse gelaufen bin. Dort haben sie mich eingeholt. Aber ich hatte Glück. Der Auspuff eines Autos knallte und der eine Späher ließ mich vor Schreck los. Von dem anderen konnte ich mich losreißen. Ich nahm das erste Taxi, das ich fand, sprang bei der nächsten Ampel hinaus, rannte durch die halbe Innenstadt und setzte mich in ein Café, bis ich sicher war, dass ich sie abgeschüttelt hatte.« Er macht eine Pause. »Aber wir können nicht hierbleiben. Je früher wir London verlassen, desto besser.«
    Bei dem Gedanken, dass Sean fast geschnappt worden wäre, wird mir ganz anders. Ich schlucke. »Es gibt keinen Grund, warum wir länger hierbleiben sollten. Wir könnten ein Flugzeug nehmen. Oder einen Zug. Egal.«
    »Lass uns das gut überlegen.« Sean zieht seine Jacke aus. »Die Meister wissen jetzt, dass wir in London sind, und werden alle Bahnhöfe und Flughäfen überwachen lassen. Sie werden uns schnappen, sobald wir London verlassen wollen.«
    Ich öffne den Mund, um einen Vorschlag zu machen und etwas Vernünftiges zu sagen, aber heraus kommt nur: »Du hast mich geküsst.«
    Ich ziehe eine Grimasse. Es

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