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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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Mein Mund ist trocken und wund und weich. Ich beiße mir auf die Lippen, will die daran haftenden Spuren des Kusses wegbeißen.
    »Komm mit.« Er fasst mich am Ellbogen und zieht mich die Treppe hinauf. Zur ersten Tür rechts. Hinter uns johlt jemand. Jemand anders macht eine anzügliche Bemerkung und ich werde rot. Doch Ray achtet nicht darauf. Er zieht mich in das Zimmer und macht die Tür hinter uns zu.
    Dann führt er mich zum Fenster und schiebt den Vorhang zur Seite. »Da«, sagt er drängend.
    »Du musst mir schon genauer erklären …«
    »Sieh doch hin«, fällt er mir ins Wort.
    Also blicke ich nach draußen. Da ich keine Ahnung habe, was ich mir ansehen soll, sehe ich zuerst nichts. Nur die parkenden Autos, darunter das von Ray, die Bäume, den Weg und hinter den Bäumen und Zäunen, etwa eine halbe Meile entfernt, die schwachen Lichter der Hauptstraße.
    Dann sehe ich es. Hinter Rays Auto parkt noch ein anderes, das vorhin nicht da war. Es ist nach uns angekommen. An der Beifahrertür steht eine Frau. Sie ist Mitte zwanzig, trägt enge Jeans und eine Lederjacke. Ich kenne sie nicht. Sie holt etwas aus dem Auto und mein Blick wandert zu einer seltsamen Beule am unteren Ende ihres Hosenbeins. Es sieht aus, als trüge sie etwas um den Knöchel.
    Meine Knie werden weich. Erinnerungen werden wach. Ein Mann mit einer veralteten Karte, Seans Stimme an meinem Ohr. Sean packt mich am Ellbogen. Er hat Angst.
    Jetzt beugt sich die Frau noch einmal in ihr Auto und holt noch etwas heraus. Sie bewegt sich schnell, aber nicht schnell genug. Sie schiebt ihre Jeans ein Stück hoch und steckt zwei Gegenstände in ein Futteral, das sie um die Wade geschnallt hat. Die beiden Gegenstände blitzen im Licht, das aus dem Haus fällt, silbern auf.
    Messer.
    Schlagartig begreife ich, was hier vor sich geht, auch wenn ich es noch nicht wirklich fassen kann. Ungläubig, bestürzt sehe ich Ray an. Das darf nicht wahr sein.
    »Ist sie eine Jägerin?«, frage ich leise.
    Ray nickt.
    »Und …« Etwas in mir zerbricht. »… du hast mich hergelockt, damit sie mich kriegt?«
    Wieder nickt er nur.

14. Messer
    I ch habe mich über die Jäger lustig gemacht. Sie waren blinde Tiger. Ich habe Mina Ma wegen ihrer ständigen Sorge aufgezogen und gedroht, ich würde deshalb noch Amok laufen. Und ich war nie restlos überzeugt, dass der Mann, den Sean und ich gesehen hatten, wirklich ein Jäger war. Sie erschienen mir immer vergleichsweise harmlos. Wie sollten sie mich je finden?
    »Gratuliere«, höre ich mich sagen. »Du hast gewonnen, noch vor Amarra und den Meistern. Du hast mich getötet.«
    Ray schüttelt den Kopf. »Sie hat dich noch nicht gesehen. Sie weiß nicht einmal, wie du aussiehst! Du kannst verschwinden, bevor sie dich findet …«
    »Dazu ist es zu spät«, sage ich und wische mir die Tränen vom Gesicht. »Und glaubst du, deine Warnung ändert etwas an der Tatsache, dass du mich hierhergebracht hast?«
    »Versteh mich doch«, flüstert Ray. »Ich wollte nur Amarra zurückhaben.«
    Ich starre ihn an. Auf einmal fügt sich alles zusammen.
    Benommen weise ich auf das Fenster. »Ist das die Frau, die dir erzählt hat, dass Amarra noch da sein könnte? Dass ich sie nur verdränge?«
    Der Ausdruck auf seinem Gesicht macht eine Antwort überflüssig. »Sonya hat diese Leute ausfindig gemacht«, sagt Ray. »Sie war damals wütend und wollte dich bestrafen, weil du uns angelogen hast. Wahrscheinlich wollte sie nicht wahrhaben, dass du lebst und Amarra nicht. Sie machte also eine Website ausfindig und gab dort Bescheid, sie kenne ein Echo. Diese Leute sollten dich mitnehmen, aber nicht töten. Man versicherte ihr, dir würde nichts passieren.« Die Worte sprudeln nur so aus Ray heraus, überschlagen sich. Ich solle ihn doch bitte verstehen. »Die Leute meinten, wenn Amarras Seele noch lebe, könnten sie sie zurückholen. Sonya sollte dich an einen abgeschiedenen Ort bringen, dort wollten sie dich untersuchen. Sie wollten kein Aufsehen erregen. Sonya fand die Party eine gute Gelegenheit …«
    »Und dann hat sie dir davon erzählt«, sage ich. »Und du hast mit der Jägerin gesprochen und sie war total nett und hat dir genau das gesagt, was du hören wolltest.«
    Ray sieht mich unglücklich an. »Ich habe nicht so schnell zugestimmt, wie du denkst«, sagt er. »Ich wollte zuerst eine andere Lösung. Ich wollte Amarra zwar unbedingt zurückhaben, aber dieser Plan gefiel mir überhaupt nicht. Wir beide haben so viel Zeit miteinander

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