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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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gehen, sehen uns dort alle. Und wenn sie merken, dass wir uns vertragen, haben sie keinen Grund mehr, dich abzulehnen.«
    Er hat Recht. Und es ist lieb von ihm, mir das anzubieten.
    Ich nicke zögernd. »Okay.«
    Als Antwort lächelt er ein wenig gezwungen. Er scheint über meine Zusage trotz allem nicht gerade überglücklich zu sein, aber ich denke nicht weiter darüber nach. Lekha, die uns zugehört hat, kommt zurückgehüpft. »Können wir jetzt endlich gehen?«, fragt sie und drängt uns zum Schultor. »Ich könnte ein Spiegelei auf meinem Kopf braten bei dieser Scheißhitze. Und ich muss schleunigst nach Hause, um für mein Wochenende in der Wildnis zu packen.«
    »Du weißt aber schon, dass es nicht besonders fein ist, ›Scheiße‹ zu sagen?«, fragt Ray.
    Lekha strahlt ihn an. »Ich sage das nur, damit du mich auch verstehst, okay?«
    Am Tor trennen wir uns. Ray geht zu seinem Auto, nachdem wir verabredet haben, dass er mich heute Abend um acht abholt. Lekha und ich suchen den Chauffeur ihrer Mutter, der Lekha und mich nach Hause bringt. Auf halbem Weg zu Amarras Haus fährt Lekha plötzlich hoch.
    »Glaubst du, Ray versteht das heute Abend als Date?«
    »Nein«, sage ich. »Er will nur nett sein.«
    »Und er ist gern mit dir zusammen«, sagt Lekha wissend. »Ich spüre es.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ›gern‹ das richtige Wort ist. Er sieht mich an und redet mit mir, aber er sieht dabei Amarra. Er kann nicht anders.«
    »Mein Gott, ich weiß nicht, wie du das schaffst«, sagt Lekha. »Ich hätte einen Knoten im Gehirn.«
    An diesem Abend helfe ich Neil beim Kochen. Beim Essen sage ich, dass ich noch ausgehen wolle. Ich weiß nicht, ob ich dafür um Erlaubnis bitten muss. Aber dann fragt ausgerechnet Nik mich, wann ich denn zurückkäme, und alle lachen.
    »Ich werde wahrscheinlich nicht so lange bleiben«, sage ich. »So gegen zehn müsste ich wieder da sein. Wenn es später wird, rufe ich an.«
    Ich habe keine Lust, bis in die frühen Morgenstunden zu bleiben. Die anderen aus meiner Klasse mögen mich nicht, egal was Ray sich von der Party verspricht, und deshalb wird es sicher kein schöner Abend.
    Es dauert zwanzig Minuten, bis ich weiß, was ich anziehen soll. Ich bin versucht, das schwarze Kleid zu tragen, das Mina Ma mir geschenkt hat, aber es ist zu chic für eine spontane Abschlussparty. Ich will nicht zu fein angezogen sein. Amarra kleidete sich leger, aber elegant, ein Stil, den ich mag, der mir aber für heute Abend wenig Spielraum für eine eigene Note lässt.
    Ich wähle schließlich schwarze Leggings und ein silberfarbenes Oberteil. Dazu finde ich im Kleiderschrank schwarze Schuhe mit Absätzen. Es kommt mir geradezu albern vor, so viel Zeit auf etwas zu verwenden, was ich nur wenige Stunden tragen werde, aber ich will unbedingt wie ich selbst aussehen.
    Mit Make-up gebe ich mich nicht weiter ab, ich verwende nur einen schwarzen Kajalstift. Die Haare stecke ich zu einem losen Knoten auf. So. Ich lächle. Jetzt sehe ich aus wie ich. Wir gehen ja nur zu Sonya, wo alle wissen, was ich bin. Und wenn mich sowieso alle wie ein Echo behandeln, muss ich mich auch nicht verstecken.
    Ich bin pünktlich fertig und stehe schon draußen, als Ray kommt.
    »Ich dachte, ich müsste noch warten«, sagt er, als ich einsteige. »Amarra hat immer ewig gebraucht, wenn wir ausgehen wollten.«
    »Und hat sich das Warten dann gelohnt?«
    »Immer«, sagt er traurig.
    Auf dem Weg zu Sonyas Farm unterhalten wir uns höflich und ein wenig verkrampft. Was nicht zuletzt daran liegt, dass Ray noch nervöser ist als ich. Er hält das Lenkrad so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortreten. Bereut er, dass er mich gefragt hat, ob ich mitkomme?
    »Warum bist du so angespannt?«, frage ich.
    »Warum stellst du immer so viele Fragen?«
    »Warum beantwortest du meine Frage mit einer Gegenfrage?«
    Er schnaubt. Es klingt verärgert. »Wir drehen uns im Kreis.«
    »Ich kann so viele Fragen stellen, wie ich will. Und es wäre nett, wenn du sie auch beantworten würdest.«
    »Ich habe aber keine Lust«, erwidert er.
    Ich blicke aus dem Fenster. Wenn Ray schnell genug fährt, sehen die Neonröhren der Straßenbeleuchtung aus wie Sternschnuppen. Ich fühle mich wie in Trance. Die vorbeirasenden Lichter haben eine gespenstische Ähnlichkeit mit denen von damals, als Amarra lachend in Rays Auto saß und dann durch die Scheibe flog und starb.
    Ob sie etwas geahnt hat? Ob sie instinktiv spürte, dass sie in Gefahr war? Kann

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