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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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keinen Schaden an.«
    Sonya erschauert. »Es handelt sich um ein Missverständnis«, sagt sie unglücklich und hilflos. »Wir wollen nicht, dass …«
    »Zu spät«, sagt die Jägerin und geht auf die Bäume zu.
    Ich überlege nicht lange. Ein Adrenalinstoß verleiht mir ungeahnte Kräfte und ich reiße mir die Schuhe von den Füßen und beginne zu laufen. Zwar verrate ich dadurch mein Versteck, aber ich kann die Jägerin abhängen. Tiger sind schnell, aber Antilopen sind schneller.
    Auf meine nackten Fußsohlen kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich renne über die grobe Erde, die spitzen Zweige und durch kalte Pfützen. Durch den Wald laufe ich in Richtung Hauptstraße. Gewaltsam breche ich durch das Unterholz und klettere über morsche Zäune. Ich renne so schnell, dass meine Lunge brennt und mir die Beine wehtun. Das Blut dröhnt mir in den Ohren.
    Ich darf nicht anhalten. Ich höre die Jägerin hinter mir herhetzen wie ein hungriges Raubtier. Ein seltsamer Gedanke kommt mir: Matthew sollte jetzt bei mir sein, Matthew mit seiner spöttischen Art und seiner Gleichgültigkeit. Und mit den Liedern aus meinen Träumen.
    Ich bin seine Schöpfung. Darauf legt er Wert. Vielleicht würde er mich töten, aber er würde nie zulassen, dass jemand anders es tut.
    Schon gar nicht eine Jägerin.
    Der Gedanke an seinen Spott und seine Verachtung lässt mich schneller rennen und ich vergesse die Schmerzen und das Brennen in meiner Lunge. Ich bin ein lebendiges Wesen, ein Mädchen, Leben, das aus Nichts geschaffen wurde. Ich bin ein unheimliches Geschöpf, vor dem andere Angst haben, und ich bin stärker als alle. Ich werde nicht zulassen, dass ein Jäger, ein Meister oder ein Verräter mich bezwingt. Dieser Glaube ist alles, was ich habe, alles, was mich noch retten kann.
    Also renne ich, fliehe ich, bis meine Kräfte unweigerlich nachlassen und ich nicht mehr kann. Ich bekomme einen Krampf. Unweit der Hauptstraße mit ihren Lichtern und dem Geruch nach Benzin und Beton werde ich langsamer.
    Die Jägerin packt mich.
    Wir stolpern über einen umgestürzten Baumstamm und gehen zu Boden, fallen unsanft auf nasses Laub. Im Dunkeln sehe ich etwas silbern aufblitzen und weiche aus. Das Messer erwischt mich am Bein und ich schreie auf. Ein sengend heißer Schmerz durchfährt mich, Blut mischt sich mit Regen.
    Ich wehre die Jägerin ab und drehe die Hand, die das Messer hält, von mir weg, aber sie ist stärker als ich, größer und für so etwas ausgebildet. Ich will mich unter ihr herauswinden, aber sie drückt ihr Knie auf mein verletztes Bein. Ich keuche mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Es muss nicht wehtun«, faucht sie. »Wenn du stillhältst und dich ergibst.«
    Ich lache heiser und unter Schmerzen. Sie hätte sich bei Ray und Sonya nach mir erkundigen sollen, bevor sie versucht, mich umzubringen. Die hätten ihr vielleicht gesagt, dass ich nicht klein beigebe.
    Etwas bohrt sich mir in den Rücken. Ich greife danach und hoffe, dass es ein Stein ist, doch meine Finger schließen sich um meine Haarspange. Offenbar habe ich sie in der Hand behalten, nachdem ich meine Haare gelöst habe. Ich muss sie vorhin fallen gelassen haben. Sie ist unter meinem Gewicht zerbrochen, ich ertaste die beiden Stücke.
    Mit dem Finger fahre ich über einen Zahn der Spange. Er ist spitz, sehr spitz.
    Ich packe das abgebrochene Stück und schlage es der Jägerin ins Gesicht. Meine Knöchel prallen gegen ihre Lippen, die Zähne der Spange treffen sie am Auge. Mit einem Aufschrei lässt sie das Messer fallen und hält sich die Hand vor das Gesicht. Ich beuge mein unverletztes Bein, um sie abzuwerfen. Blut sickert von meinem anderen Fuß auf den Boden. Ich spüre ihn kaum noch vor Schmerzen.
    Das Bein will unter mir nachgeben, als ich aufstehe, aber ich zwinge mich auf die Füße. Die Jägerin greift nach meinem Knöchel, um mich umzuwerfen, aber ich ziehe ihn schnell weg und laufe los.
    Sie bleibt hinter mir im Dreck liegen, während ich zur Straße renne. Vorbei an einem blinden Bettler und an einer Teestube, unter den Blicken der Leute die Straße entlang. Ich sehe mich nach einer Rikscha um. Zwar ist eine Rikscha so spät am Abend nicht die sicherste Art zu reisen, aber wenn man auf der Flucht vor einer Jägerin mit einem Messer ist, kann man darüber nur lachen.
    Drei Rikschafahrer weigern sich, mich mitzunehmen. Der vierte nickt und brummt etwas, als ich den Stadtteil nenne, in den ich will. Er verlangt den doppelten Fahrpreis. Ohne zu

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