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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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zögern, stimme ich zu.
    Wir rattern die Straße entlang und mein Kopf sinkt gegen die Seitenwand der Rikscha. Mir tut alles weh. Benommen überlege ich, ob die Jägerin mich weiter verfolgen wird. Aber dazu muss sie zu ihrem Auto zurückkehren und bis dahin bin ich längst über alle Berge.
    Ein, zwei Straßen vor Amarras Haus wächst meine Anspannung wieder. Der Fahrer hält an einer Ampel.
    »Wohin wollen Sie?«, fragt er kurz angebunden auf Hindi. Ich verstehe ihn nur mit Mühe. »Nach links oder rechts? Wissen Sie den Namen der Straße?«
    Ich antworte nicht, sondern hole nur tief Luft, springe aus der Rikscha und schlängle mich zwischen den Autos hindurch, die vor der roten Ampel warten. Ich höre den Fahrer hinter mir fluchen und mir nachschreien, aber ich bleibe nicht stehen. Ich habe kein Geld, mit dem ich ihn bezahlen könnte. Und weil er einem offensichtlich verletzten Mädchen den doppelten Fahrpreis berechnen wollte, habe ich auch nicht wirklich ein schlechtes Gewissen.
    Ich renne durch eine Gasse und gelange zu Amarras Straße. Das verletzte Bein knickt unter mir ein. Ich ziehe es hinter mir her. Das Haus ist nur noch hundert Meter entfernt.
    Auf nackten, blutigen Füßen humple ich weiter. Meine Lunge brennt. Ich zwinge mich, einen Schritt zu machen und dann noch einen.
    Schneller. Ich schaffe es. Ich gehe schneller.
    Ich denke gerade, dass ich jetzt alles überstanden habe, da stolpere ich über einen vorstehenden Pflasterstein und falle hin. Der Boden ist kalt und hart und ich komme nicht mehr hoch.
    Ich blicke zum Himmel auf, der wie eine schwarze Wasserfläche über mir verschwimmt, und will mich auf die Knie rollen und aufrichten. Doch bei der kleinsten Bewegung fahren mir stechende Schmerzen durch die Seite. Ich bin zu müde. Die Lider fallen mir flatternd zu und der wässrige Himmel entgleitet mir.

15. Aufwachen
    I ch bin wieder zu Hause. Ich betrachte die vertraute Umgebung und fühle eine Aufregung, als stünde ich sprungbereit an einer Klippe. Im Lake District hat der Frühling Einzug gehalten. Die Sonne scheint durch die Wolken und sprenkelt den Waldboden. Mein Blick wandert über die englischen Eichen und Ulmen, über die Felsen und Steine und die taufeuchten Wege bis zu dem schimmernden See und den Bergen, die in der Ferne den silbernen Himmel säumen.
    Das Bild beginnt zu flimmern. Zerreißt.
    Ein Blitz fährt durch das Dunkel, gezackt wie das Mal auf meinem Nacken.
    Sean. Seine Augen. Grün, durchsetzt von goldenen Lichtpunkten und so lebendig unter einem rot glühenden Himmel. Stumm gelobe ich, dass ich alles – meinen letzten Atemzug und meine Seele – dafür geben werde, um wieder bei ihm zu sein.
    »Sieh mich an«, sagt er eindringlich, bestimmt träume ich. Seans Stimme klingt nie so rau und heftig.
    Vor Schmerzen ist mir schwindelig. Ich mache ein paarmal langsam die Augen auf und zu. Hell, dunkel, hell, dunkel. Wenn es hell ist, sehe ich einen Schatten. Eckig, mit grünen Augen, überwältigend. Schwarze Haare, kurz und abstehend wie kleine Federn. Ich greife nach einer Feder, aber sie ist zu weit weg.
    Der Schatten beugt sich herunter und küsst mich auf die Haare.
    »Wach auf«, bittet er.
    Wieder der Blitz.
    Da, mein Garten. Wie gut ich ihn kenne. Ein kleines Mädchen sitzt auf einer Schaukel, ein Vormund stößt es an, hoch hinauf. Ich kenne die beiden. Die kleine Eva und Jonathan in jüngeren Jahren. Ich knie auf dem feuchten Gras. »Wo bist du?«, will ich ihn fragen. Ich sehe zum Haus und erkenne vertraute Gestalten. An der Tür steht Erik, wie immer mit wachsamen Augen. Hinter ihm steht Ophelia, den Blick in die Ferne gerichtet. Ich drehe mich um. Mina Ma steht unmittelbar hinter mir und beschützt mich vor den dunklen, bösen Dingen, die auf mich lauern, während ich nicht hinsehe.
    Ich wende mich wieder der Schaukel und meinem Vormund zu. Die Schaukel ist leer, aber Jonathan stößt sie trotzdem weiter an. »Wo bist du?«, frage ich jetzt. »Und wo bin ich?«
    »Ich bin müde«, sage ich zu Mina Ma. »Ich hatte einen langen Heimweg.«
    Die leere Schaukel schwingt hin und her und der See schlägt glucksend ans Ufer. Mina Ma wischt mir mit einer raschen Handbewegung die Tränen weg. Sie duftet nach Liebe und Salz und Butter.
    Ein Blitz.
    »Aha, gut. Ihr in die Augen zu leuchten, hat offenbar geholfen. Sie wacht auf.«
    Widerstrebend öffne ich die Augen. Ich will zu Hause sein, nicht hier. Ich liege in einem Bett in einem sauberen Zimmer, das nach Bleichmittel

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