Lost in Ireland - Verschollen in Irland
erschrocken.
Aber was könnte sie daran ändern? Conny hatte sie früher oft aufgefordert, mal mit ihr auszugehen, doch immer war etwas dazwischengekommen.
“Ich habe mich für eine Familie entschieden und jetzt kümmere ich mich auch um meine Familie.”
“Was soll ich gegen dieses Argument schon sagen?”, hatte Conny erwidert.
“A penny for your thoughts.”
“Was?” Ruth schreckte aus ihren Gedanken hoch. Ian schaute sie aufmerksam an. “Oh”, machte Ruth. Für einen Moment hatte sie ihre Umgebung vollkommen vergessen.
“I’m sorry”, sagte sie, und das meinte sie ehrlich.
“I never → realized that I was that → boring ”, seufzte Ian.
“It’s not you”, beeilte Ruth sich zu sagen. “I’m sorry.”
Ian seufzte theatralisch.
“Poor man”, sagte Ruth spöttisch und suchte nach Conny. Sie stand ganz hinten in einer Ecke und unterhielt sich mit ihrem Begleiter. Doch angenehm schien das Gespräch nicht zu sein, es war deutlich zu erkennen, dass die beiden stritten. Und in diesem Moment begannen sie auch, heftig zu gestikulieren.
Ruth wandte sich wieder Ian zu. Sie wusste, dass Conny auf sich aufpassen konnte. Doch bevor sie etwas sagen konnte, stoppte die Musik vom Band, stattdessen ertönte eine männliche Stimme aus den Lautsprechern. Ruth verstand außer “live music” kein Wort. Aber dem Beifall nach zu schließen, sollte wohl in Kürze die Band zu spielen beginnen.
Conny stand immer noch mit dem Mann zusammen, aber inzwischen schienen sich die beiden wieder etwas beruhigt zu haben.
Ruth hatte erwartet, dass die Bandmitglieder auf die kleine Bühne kommen würden. Doch da teilte sich die Menge und gab den Blick auf eine Bank frei. Auf der Bank saßen vier Männer, vor ihnen stand eine Frau. Die Männer hielten eine Gitarre, eine Ziehharmonika, eine Trommel und eine Querflöte, die Frau eine Geige in der Hand.
Ian drehte sich auf seinem Hocker um und blickte erwartungsvoll in Richtung Band. Auch Conny und ihr Begleiter schauten hinüber und schienen ihren Streit für den Moment begraben zu haben. Beruhigt wandte sich auch Ruth den Musikern zu, die jetzt zu spielen begannen. Erneut ertönte lautes Gejohle und Klatschen.
Die Zeit verflog. Ruth trank Rotwein, lauschte der irischen Musik, warf ab und zu einen Blick zur Freundin und dem Fremden. Es war zu dunkel, um erkennen zu können, in welcher Stimmung die beiden sich befanden. Immerhin gestikulierten sie nicht mehr.
Ruth genoss das Gefühl, sich einmal um nichts kümmern zu müssen. Als sie einen Blick auf ihre Armbanduhr warf, war es weit nach Mitternacht.
“I should get to bed”, rief sie Ian zu. Der verstand sie nicht.
“What?”, brüllte er zurück.
Als sie sich vorbeugte, roch sie sein Rasierwasser. Es passte perfekt zu ihm. “It’s quite late”, rief sie ihm ins Ohr. “I should get to bed.”
Er nickte und rutschte vom Hocker. Ruth hielt ihn zurück.
“I can go → alone . No need for you to come.”
Ian schüttelte den Kopf. “No, I’ll come with you. It’s time for me to → hit the hay as well.”
Sie drängten sich durch die Menge in Richtung Ausgang. Ruth wollte Conny kurz Bescheid sagen, doch als sie nach der Freundin sah, war sie verschwunden. Der Mann ebenfalls.
Na, dann halt nicht, dachte Ruth und folgte Ian. Es war kühl draußen und Ruth war froh, dass sie ihren Blazer dabeihatte. Schweigsam gingen sie die wenigen Schritte zum Hotel. Als sie in der Lobby standen, kam für den Bruchteil einer Sekunde Verlegenheit zwischen ihnen auf. Ruth befürchtete, Ian würde sie womöglich zu küssen versuchen, doch er lächelte sie nur an und sagte: “Thanks for a lovely evening.”
“I have to thank you”, gab Ruth zurück. “And yes, it was a lovely evening.” Der schönste seit Jahren, fand sie, als sie zum Aufzug ging.
Sie warf ihre Kleider auf einen Stuhl, schlüpfte in ihr Nachthemd, putzte die Zähne und legte sich ins Bett. Doch an Schlafen war nicht zu denken. Sie stand auf, öffnete das Fenster und betrachtete eine Weile den nächtlichen Verkehr.
Musste sie ein schlechtes Gewissen haben, weil sie nicht an ihre Familie gedacht, sondern sich einfach nur amüsiert hatte? Nein, beschloss sie. Nein, das musste sie nicht. Sie hatte das Recht auf ein paar freie Stunden. Aber gleich morgen früh würde sie in München anrufen.
Five
Im Hotel ging Ruth in ihr Zimmer und wählte Connys Nummer. Niemand nahm ab. Vielleicht war Conny unterwegs.
Ruth ärgerte sich, dass die Freundin ihr nicht
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