Lost Land
Benny versuchte angestrengt, nicht in ihre Richtung zu schauen. Es gelang ihm weitestgehend, kostete ihn jedoch einige Mühe.
»Tja«, sagte Nix eine Weile später, »der Sommer ist fast vorüber und wenn du zum Schulanfang keinen Job hast, dann werden sie dir â¦Â«
»⦠die Rationen kürzen«, stieà Benny barsch hervor. »Ich weiÃ, ich weiÃ. Herrgottnochmal.«
Nix verstummte. Morgie tat so, als trete er sie gegen den FuÃ, doch sie trat ernsthaft zurück, worauf die beiden laut zu streiten begannen.
Angewidert von seinen Freunden und allem anderen, rappelte Benny sich auf und ging steifbeinig davon, die Hände in den Taschen vergraben, die Schultern unter der Augusthitze hochgezogen.
Der September stand kurz vor der Tür und Benny hatte noch immer keinen Job gefunden. Er war nicht gut genug im Umgang mit Waffen für eine Stelle als Zaunwärter, nicht alt genug, um sich der Stadtwache anzuschlieÃen, nicht geduldig genug für die Landwirtschaft und nicht kräftig genug, um als Schläger oder Fräser zu arbeiten. Nicht dass das Einschlagen von Zombieschädeln mit einem Vorschlaghammer oder ihr Zerfräsen für die Steinbruchloren ihn besonders angezogen hätte â dafür hasste nicht einmal er diese Monster stark genug. Okay, es ging zwar ums Töten, sah aber nach verdammt harter Arbeit aus, und Benny war nicht allzu interessiert an einem Job, der selbst in den Zeitungen als »anstrengende körperliche Arbeit« beschrieben wurde. Sollten damit etwa Bewerber angelockt werden?
Nach einem einwöchigen Gewissenskampf, während dem Chong ihn schier endlos belehrte, er solle sich von vorgefassten Denkbildern lösen und zulassen, dass er Teil des cokreativen Schaffensprozesses des Universums werde (oder so ähnlich), ging Benny zu seinem Bruder und bat ihn, ihn als Lehrling anzunehmen.
Zunächst musterte Tom ihn misstrauisch. Als er begriff, dass Benny keine Witze machte, starrte er ihn völlig überrascht an. Doch als ihm endgültig klar wurde, worum Benny ihn bat, sah Tom aus, als würde er vor Rührung jeden Moment in Tränen ausbrechen. Er versuchte, ihn zu umarmen, doch so was hätte Benny im Leben nicht zugelassen, deshalb besiegelten sie die Sache mit einem Händedruck.
Benny lieà seinen lächelnden Bruder im Erdgeschoss zurück und ging hinauf in sein Zimmer, um vor dem Abendessen noch ein Nickerchen zu machen. Er setzte sich aufs Bett und starrte aus dem Fenster, als könnte er dort morgen und übermorgen und überübermorgen sehen.
Nur Tom und er.
»Das wird so richtig scheiÃe werden«, murmelte er resigniert.
Am Abend saÃen Tom und Benny auf den Treppenstufen vor dem Haus und sahen zu, wie die Sonne hinter den Bergen unterging. Benny war deprimiert. Er betrachtete den Sonnenuntergang, als wäre dieser ein Fenster in die Zukunft â und alles, was er sehen konnte, waren seine zwangsläufige Nähe zu Tom und die damit verbundenen Probleme. AuÃerdem verstand er Tom nicht. Er wusste, dass sein Bruder davongelaufen war, und trotzdem verdiente er jetzt seinen Lebensunterhalt mit dem Töten von Zombies. Tom verlor darüber zu Hause kein Wort. Er prahlte nie, hing nicht mit den anderen Kopfgeldjägern herum, tat auch sonst nichts, um zu zeigen, wie tough er war.
Einerseits hieà es, Zombies seien in einer Mann-gegen-Mann-Situation nicht schwer zu töten â nicht für einen cleveren, gut bewaffneten Menschen. Andererseits erlaubten sie keinen Raum für Fehler. Sie waren immer hungrig, immer gefährlich. Ganz gleich, wie sehr er sich auch das Gehirn zermarterte, Benny konnte sich Tom nicht als einen Menschen vorstellen, der fähig oder willens war, lebende Tote zu jagen. Das war so, als würde ein Huhn auf Fuchsjagd gehen.
Im Laufe der letzten Jahre hatte Benny seinem Bruder diese Frage immer wieder stellen wollen, sie aber letzten Endes dann doch nicht ausgesprochen. Vielleicht würde die Antwort nur Toms Feigheit untermauern. Vielleicht log Tom aber auch und ging in Wirklichkeit einer völlig anderen Arbeit nach. Benny hatte sich eine Reihe bizarrer und unwahrscheinlicher Szenarien ausgedacht, um sich den Angsthasen Tom wenigstens irgendwie als Zombiekiller vorstellen zu können. Keins davon war hieb- und stichfest. Doch nun, da ihr Plan für den morgigen Tag so konkret und real war wie der Sonnenuntergang vor ihnen,
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