Lost Land
»Warum?«
»Warum ⦠was?«
»Du könntest zurückkehren. In deine Stadt. Du und Nix. Diese Menschen â¦Â« Lilah deutete mit der Hand in Richtung der Kinder in dem Pferch, »gehören nicht zu dir. Also ⦠warum?«
Auf diese Frage wusste Benny zunächst keine Antwort. Er hatte nicht genug Zeit gehabt, sich über seine Gefühle klar zu werden â seine Gefühle in Bezug auf die vergangenen Ereignisse und diejenigen, die ihnen noch bevorstanden. Gern hätte er eine kühne Rede über Ehre und Würde gehalten oder eine tiefschürfende Bemerkung gemacht, die zukünftige Generationen zitieren würden. Doch er brachte lediglich hervor: »Wenn wir nichts unternehmen, um das hier aufzuhalten, wer dann?«
Lilah dachte darüber nach, während ihre nussbraunen Augen tief in sein Innerstes zu blicken schienen. Dort musste sie etwas gesehen haben, was ihr gefiel, vielleicht lag es aber auch an der schlichten Aufrichtigkeit seiner Worte, jedenfalls nickte sie ernst. »Muss es versuchen«, wiederholte sie.
»Muss es versuchen«, sagte Benny und nickte. »Für Tom, für Nixâ Mutter ⦠für Annie.«
Lilah schloss einen Moment die Augen und nickte stumm in sich hinein. Dann drehte sie sich wortlos um und verschwand in den Schatten unter den Bäumen.
Benny und Nix kletterten vom Felsvorsprung herab und fanden eine dunkle, geschützte Stelle unter einer Reihe dichter Kiefern. Sie mussten erst in einigen Stunden aktiv werden und konnten sich noch etwas ausruhen.
Ãber ihnen kreiste ein einsamer Bussard im thermischen Aufwind.
Benny winkte Nix zu sich, worauf sie sich neben ihn setzte. Sie tranken aus Bennys Feldflasche und aÃen von dem Trockenfleisch, das Lilah ihnen gegeben hatte. Es war beinah so ungenieÃbar wie ihr Eintopf, aber sie waren hungrig und das Knabbern an den zähen Fleischstücken beschäftigte sie eine Weile. Fast eine Stunde saÃen sie schweigend beisammen. Benny verbrachte einen GroÃteil dieser Zeit damit, den Plan noch einmal zu überdenken und auf potenzielle Fehler abzuklopfen. Tatsächlich gab es jede Menge Schwachstellen â die Chance, dass der Plan schiefging, war gröÃer als die Chance auf ein Gelingen.
»Das Leben ist schon komisch«, sagte Benny.
»Ach wirklich, du Schlauberger?«
»Nein ⦠Es ist nur so: Vor zwei Wochen musste ich mir nur Sorgen darum machen, einen Job zu finden, bevor sie mir die Rationen kürzen. Den ganzen Sommer über haben wir alle â du, ich, Chong und Morgie â bloà herumgelungert, abgehangen und gelacht. Wir haben eine Menge gelacht, Nix. Das Leben war unbeschwert.«
Nix nickte traurig.
»Ich hoffe, dass wir das hier überleben«, fuhr Benny fort. »Nicht nur heute Abend, sondern alles.«
»Ãberleben ⦠aus welchem Grund? Nichts scheint mehr wichtig zu sein.«
»Genau darum geht es, Nix. Ich will nicht glauben, dass nichts mehr wichtig ist. Du bist wichtig. Wir sind wichtig. Wir beide müssen daran glauben, dass wir das hier überstehen. Dass wir irgendwann wieder lachen können. Dass wir wieder lachen wollen.«
Nachdenklich schüttelte Nix den Kopf. »Ich weià nicht recht. Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen.«
Darauf wusste Benny keine Antwort. Ihre Vorbehalte waren zu stark und seine Ãberlegungen basierten lediglich auf Wunschdenken und einem fadenscheinigen Optimismus.
Schweigend saÃen sie beieinander und lauschten auf die Geräusche des Waldes.
»Benny?«, fragte Nix nach einer Weile leise.
»Ja?«
»Gestern Abend ⦠als du mich geküsst hast â¦Â«
Sofort spürte Benny einen Frosch im Hals. »Ja?«
»Warum hast du das getan? Ich meine, hast du mich geküsst, weil ich so durcheinander war und du nichts Besseres wusstest, um mich zu beruhigen? Oder weil du es wirklich wolltest?«
»Ich â¦Â«
»Du musst darauf nicht antworten, wenn du nicht willst.«
Benny holte Luft. »Ich habe dich geküsst, weil ich es wollte «, sagte er.
Nix nickte. »Gestern Abend, als du dachtest, ich würde schlafen ⦠Ich habe gesehen, wie du ihre Karte betrachtet hast.«
Benny zupfte einen Grashalm aus und lieà ihn langsam durch seine Finger gleiten. Der biegsame Stängel fühlte sich an wie kühle Seide. »Tatsächlich?«, fragte er.
»Und ich habe
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