Lost Land
Messer.
In dem Moment warf sich der weibliche Zombie mit seinem ganzen Gewicht in die Seile und stieà einen schrillen Schrei aus, der Benny wie ein Dolch durchbohrte. Er hielt sich die Ohren zu, wandte sich ab und kauerte sich auf den Boden, das Gesichtin die Ecke zwischen Gartentür und Wand gedreht, während er abwehrend den Kopf schüttelte.
Tom blieb reglos stehen und wartete.
Benny brauchte eine lange, lange Zeit. SchlieÃlich fasste er sich und lehnte die Stirn gegen die Holzverkleidung. Der Zombie auf dem Stuhl stöhnte weiter. Benny drehte sich um und ging auf die Knie. Dann wischte er sich mit dem Unterarm die Nase ab und schniefte. »So wird sie auf immer und ewig sein, oder?«, fragte er.
Tom schwieg.
»Ja«, beantwortete Benny seine eigene Frage. »Ja.« Langsam rappelte er sich wieder auf. »Okay«, sagte er und streckte die Hand aus. Sein ganzer Arm zitterte.
Tom erging es nicht anders, als er schweigend das Messer überreichte.
Benny stellte sich hinter den Zombie. Er benötigte sechs, sieben Versuche, ehe er sich dazu überwinden konnte, die Frau zu berühren. Endlich gelang es ihm. Tom half ihm, indem er die Stelle berührte, wo das Messer eindringen musste. Benny setzte die Messerspitze an.
»Wenn du es tust, tu es rasch«, sagte Tom.
»Können sie Schmerz empfinden?«
»Ich weià es nicht. Aber du kannst Schmerz empfinden. Und ich kann es. Also tu es rasch.«
Benny schloss die Augen und da war es wieder, das alte Bild: die weiÃe Bluse, die roten Ãrmel. Kein roter Stoff, sondern Blut. Es war Blut gewesen. Benny holte mehrmals kurz Luft und sagte dann: »Ich liebe dich, Mom.«
Dann stieà er rasch zu.
Und es war vorbei.
Er lieà das Messer fallen, Tom nahm ihn in die Arme und sie sanken auf dem Küchenboden in die Knie. Dabei weinten sie so laut, dass es der ganzen Welt das Herz hätte brechen können. Die beiden Toten auf den Stühlen saÃen zusammengesackt da, die Köpfe zueinander geneigt, ihre verwelkten Münder stumm.
Als sie das Haus verlieÃen, ging die Sonne hinter den Berggipfeln unter. Gemeinsam hatten sie im Garten Gräber ausgehoben. Tom verriegelte das Haus und legte am Eingangstor die schwere Kette erneut um die Eisenstangen. Dann gingen sie Seite an Seite den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren.
»Während der Ersten Nacht«, setzte Benny nach einer Weile an, »vor all diesen Jahren ⦠ich erinnere mich an Mom in einem Kleid mit roten Ãrmeln. Ich erinnere mich daran, dass sie geschrien hat. Daran, dass du mich genommen hast und weggelaufen bist. Als ich mich umgedreht habe, stand Dad hinter ihr.«
»Ja«, sagte Tom. »Genau so ist es gewesen.«
»Die roten Ãrmel ⦠sie war bereits gebissen worden. Dad hatte sie bereits gebissen, stimmtâs?«
Toms Stimme klang gespenstisch. »Ja. Sie hatte gesehen, was passiert war, nachdem Dad gebissen wurde. Sie war klug, sie hat es begriffen. Sie wollte, dass wir in Sicherheit sind. Vielleicht hat sie bereits gespürt, dass sich etwas in ihr veränderte. Der Hunger. Ich weià es nicht. Jedenfalls hat sie mich angefleht, ich solle dich mitnehmen, dich retten. Weglaufen.« Tom vergrub das Gesicht in den Händen und die schreckliche Erinnerung und der jahrelange Kummer lieÃen ihn am ganzen Körper zittern.
»Ich ⦠du hast mich gerettet.«
Tom schwieg.
»Und all diese Jahre hast du gewusst, dass ich dich gehasst habe. Dass ich dich für einen Feigling gehalten habe. Warum hast du es mir nie erzählt?«
Tom hob den Kopf und wischte sich mit dem Unterarm über die Augen. »Als du alt genug warst, dass ich es dir erzählen konnte, hast du schon an deine eigene Version geglaubt. Sag mir, Benny, wenn ich dir die Wahrheit erzählt hätte, hättest du mir dann geglaubt? Wenn wir nie hier herausgekommen wären, hättest du mir dann geglaubt?«
Langsam schüttelte Benny den Kopf.
»Also habe ich gewartet.«
»Mein Gott ⦠das muss schlimm gewesen sein.«
Tom zuckte die Achseln. »Ich wusste, dass wir eines Tages hierherkommen würden. Aber als wir hier waren ⦠da wusstest du es bereits, oder? Wann hast du es herausgefunden?«
Benny zog die Nase hoch und wischte sich die Tränen ab. »Nach ⦠nach unserer Rückkehr von Harold Simmonsâ Haus. Als ich die ganze Zeit auf der hinteren Veranda
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