Lost Land
sind, habe ich viel darüber nachgedacht.«
»Darauf geh ich jede Wette ein. SchlieÃlich bist du Toms Bruder.«
»Okay, und was heiÃt das jetzt? Nach dem, was passiert ist, hab ich meine Meinung über Tom zwar ein bisschen geändert.«
»Aber �«
»Aber ich verstehe noch immer nicht, warum alle Tom für so tough halten. Er ist sogar auf einer der Zombiekarten.«
»Du hast ihn noch nicht in Aktion gesehen?«
»Ich habe nur gesehen, wie er einen spindeldürren Zombie gefesselt hat.«
»Das warâs?«
»Klar. Vor den drei Kopfgeldjägern ist er weggelaufen.«
»Weggelaufen«, wiederholte der Künstler belustigt. »TomImura und weglaufen.« Plötzlich warf er den Kopf in den Nacken und lachte laut los, bis sein ganzer Körper bebte und ihm die Tränen über die Wangen liefen. Wieder und wieder schlug er mit der flachen Hand auf die Tischplatte, bis der kalte Kaffee in Bennys Tasse überschwappte. »Heilige ScheiÃe, Junge.« Sacchetto rang nach Luft, als er wieder sprechen konnte. »Mein Gott! Derart gelacht hab ich nicht mehr, seit Kirschs AuÃendusche in den Santa Ana geweht ist und er splitterfasernackt dastand, mit triefender Seife an seinem â¦Â«
»Was ist daran so wahnsinnig lustig?«, unterbrach Benny ihn.
Der Künstler hob entschuldigend die Hände. »Es ist nur so, dass jeder, der deinen Bruder kennt â und ich meine damit richtig kennt â, genau wie ich reagieren würde, wenn du ihm erzählst, Tom Imura hätte vor irgendetwas Angst.«
»Er ist weggelaufen â¦Â«
»Er ist weggelaufen, weil du dabei warst, Junge. Glaub mir, wenn er allein gewesen wäre â¦Â« Den Rest lieà er unausgesprochen.
»Sie leben nicht mit ihm«, sagte Benny gereizt. »Sie wissen nicht, was ich weiÃ. Sie wissen nicht, was ich gesehen habe.«
Sacchetto zuckte die Achseln. »Das gilt umgekehrt genauso. Du weiÃt nicht, was ich weiÃ. Oder was ich gesehen habe.«
Sie saÃen eine halbe Minute da, hingen ihren Gedanken nach und suchten nach einem Weg, das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
SchlieÃlich meinte der Künstler: »Das Verlorene Mädchen. Mein Teil der Abmachung.«
»Das Verlorene Mädchen«, pflichtete ihm Benny bei. »Sagen Sie mir, dass sie wirklich existiert.«
»Sie existiert wirklich.«
Benny schloss einen Moment die Augen. Dann öffnete er sie wieder und blickte auf die Karte. »Sagen Sie mir, dass sie lebt.«
»Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen«, erwiderte Sacchetto, doch als er Bennys bangen Blick sah, schüttelte er den Kopf. »Nein, ich meine damit, dass ich nicht sagen kann, wie es ihr heute geht, jetzt in dieser Minute. Aber vor ein paar Monaten war sie gesund und munter.«
»Woher wissen Sie das?«, hakte Benny nach.
»Ich weià es, weil ich sie gesehen habe«, erklärte der Künstler.
»Sie ⦠haben sie gesehen?«
»Einmal, nur eine Minute lang. Vielleicht auch nur eine halbe Minute. Aber ich habe sie drauÃen im Leichenland gesehen und dann bin ich zurückgekehrt und hab sie gemalt. Tom hat mir bei ein paar Details geholfen, aber diese Karte da ⦠das ist sie, haargenau.«
»Sie waren mit Tom zusammen, als Sie sie gesehen haben?«
Sacchetto schwieg einen Moment und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Hör zu, ich hab versprochen, dir die Geschichte zu erzählen, und das werde ich auch. Aber ich denke, ich werde dir nur einen Teil davon erzählen. Den Rest ⦠tja, vielleicht solltest du den lieber von deinem Bruder hören.«
»Von Tom? Wieso?«
Der Künstler räusperte sich. »Weil Tom schon seit fünf Jahren auf der Suche nach ihr ist.«
Der Künstler goss sich eine dritte Tasse Kaffee ein, dachte kurz nach, stand dann auf, holte eine Flasche Bourbon aus einem Schrank und schenkte sich einen kräftigen Schuss ein. Benny bot er die Flasche nicht an â was der aber nicht weiter schlimm fand: Das Zeug stank wie alte Socken.
»Ich bin in Kanada aufgewachsen«, setzte Sacchetto an. »Toronto. Ich kam in die Staaten, als ich die Kunstakademie gerade abgeschlossen hatte. Eine Zeit lang hab ich mir meinen Unterhalt mit Blitzporträts von Touristen an der Strandpromenade von Venice Beach verdient. Dann belegte ich ein paar Kurse in Forensik und bekam
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