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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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nichts Verkehrtes.
Mit offiziellen Anträgen und Anfragen kam man hier nicht weiter. Ans Ziel kam
man hier en passant, bei einer Melange oder einem Besuch in der Oper. Solange
es für den guten Zweck war, war dagegen auch nichts einzuwenden. Und Adler war
mehr als ein guter Zweck. Er war eine Bereicherung und brachte frischen Wind in
die angestaubten Hörsäle.
    Adler verknüpfte mehrere Ansätze und webte einen Faden so geschickt
in den nächsten, dass man glaubte, spielerisch Historie, Praxis und Wissenschaft
der Psychologie zu erfahren. Er ging vom Unbewussten einer Stadt aus, das die
Einwohner in ihren Handlungen beeinflusste und wiederum von den Einwohnern
genährt wurde. Ein ständiger Kreislauf, der aber durch Projektionen und
Gegenprojektionen je nach zeitgeistiger Dynamik ausgehöhlt oder aufgeladen
werden konnte. Es war ein systemischer Ansatz, in dem alles jedes bedingte. Ein
Ziel des Projekts war es, Gesetzmäßigkeiten dieses Wechselspiels zu ergründen,
um Adlers These zu untermauern. Inwieweit färbten die menschlichen Ängste auf
Plätze ab und wurden dort gespeichert? Und wie beeinflusste der bereits
emotional aufgeladene Ort die Psyche des Einzelnen? Die zweite These, eher ein
Nebenprodukt, bestand in Adlers Annahme, dass man über die Art und Weise sowie
über den Ort, an der eine Person einen Cache versteckte, auf das Profil des
Schatzlegers schließen konnte.
    Viele gestandene Psychologen, darunter auch Nicolas Vater, hielten
das Projekt für unwissenschaftlichen Humbug. Aber hatte ihr Vater sie nicht auf
die Waldorfschule geschickt? War nicht Steiner selbst einer der größten
Grenzgänger esoterischen Unfugs gewesen?
    »Tom? Toby? Wo seid ihr?«, rief sie halblaut. Sie traute sich nicht,
lauter nach ihnen zu rufen, aus Angst, einen verirrten Sandler aus den
verlassenen Häusern zu locken.
    Nicola lauschte ins Dunkel, strich mit ihrer Taschenlampe über
unlesbare Graffitis, die an eine Häuserwand gesprüht waren. Als ein klirrendes
Geräusch aus dem Haus nebenan zu ihr drang, schrak sie hoch. Sie ordnete den Krach
zerberstendem Fensterglas zu und leuchtete mit der Taschenlampe in die
Richtung, aus der der Lärm gekommen war.
    Eine menschliche Gestalt hing in den Splittern eines Fensterrahmens
und fluchte. Es war Toby. Blut lief ihm von der Stirn. Jetzt erklangen hohle
Laufschritte aus dem leeren Haus, eine Tür knarrte und schlug gegen eine Wand,
dann rannte jemand heraus und flüchtete durch die Büsche.
    Nicola leuchtete mit der Taschenlampe hinterher. Es war ein
untersetzter, schwerfälliger Schemen, der mit dem Dunkel verschmolz. Es hätte
Stefan sein können. Aber vielleicht war es tatsächlich nur ein Sandler, der
hier sein Lager aufgeschlagen hatte und sich von den Eindringlingen bedroht
gefühlt hatte.
    »Toby, alles klar?«, fragte Nicola besorgt und leuchtete sich den
Weg zu ihrem Kommilitonen, der sich gerade eine Glasscherbe aus dem Unterarm
zog.
    »Ich hab ihn«, ertönte es hinter Nicola. Es war Tom, der aus der
anderen Richtung kam. »Der Cache lag eingeklemmt unter dem Sitz der Wippe auf
dem verlassenen Kinderspielplatz.«
    »Lass uns verschwinden. Ich halt es hier nicht mehr aus«, sagte
Nicola gepresst.
    »Mir reicht’s auch.« Toby schwang sich aus dem Fenster und landete
knirschend im grasdurchwachsenen Kies.
    »Was ist denn mit dir passiert?« Tom hatte Toby erst jetzt bemerkt.
    »Ein Kerl hat mich plötzlich von hinten angerempelt und mich gegen
das Fenster geschleudert.«
    »Hast du sein Gesicht gesehen?«
    »Nein, es ging alles zu schnell.«
    »Meinst du, es könnte Stefan gewesen sein?«, fragte Nicola. »Der Ort
hier könnte zu ihm passen.«
    »Du glaubst, er ist der Schatzleger? Es ist nicht erlaubt, sich nach
dem Legen des Schatzes noch mal am Ort aufzuhalten«, sagte Toby.
    »Nicola mag ihn nicht. Deshalb projiziert sie die Unheimlichkeit des
Ortes auf ihn.«
    »Wäre aber auch möglich, oder? Es ist ein Lost Place. Guck dir doch
Stefan an. Ein dicker, verpickelter Chipsfresser, der nur vor dem Computer oder
der Xbox hockt. Ausgehöhlt, ein menschlicher Lost Place.«
    »Vorsicht vor Klischees.«
    »Klischees basieren auf Erfahrungswerten. Nur weil es Klischees
gibt, müssen diese nicht verkehrt sein.«
    »Klingt nach Professor Adler«, sagte Tom und leuchtete Nicola mit
der Taschenlampe direkt ins Gesicht.
    »Nimm die Funzel runter, das blendet.«
    »Wollte nur sehen, ob du rot wirst.«
    * * *
    »Quattro Stagioni«, entschied sich Zirner und reichte

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