Lost Place Vienna (German Edition)
oder noch mal auf dem Revier, um mit ihm
um die Akte zu streiten? Er wollte Ihnen die Akte nicht geben, der Streit
uferte aus, Sie erdrosselten ihn?«
»Blödsinn. Ich war zu Hause. Warum sollte ich Zirner ermorden? Er
war der Einzige hier, der mich unterstützt hat.«
»Das ist aber unfair. Wir haben alle versucht, sie nach vorne zu
bringen. Aber gedankt haben Sie es niemandem. Und am allerwenigsten Zirner.«
Valentina wollte Parizek an die Gurgel, beherrschte sich jedoch und
rief sich Don Bernardo als guten Geist an ihre Seite. Sie musste besonnen
bleiben. Sie hatte bereits zu viele Emotionen gezeigt.
»Ich habe nicht gewusst, dass Zirner diese Akte überhaupt besaß.
Nachdem Bauer mich in Urlaub geschickt hatte, war der Fall für mich erledigt.«
»Nichts würde ich lieber glauben als das.« Parizek straffte sich.
»Tatsächlich glauben wir auch nicht, dass Sie es selbst gemacht haben. Unsere
Kameras haben einen Pizzaboten gefilmt, der um fünf vor halb sieben das Gebäude
betrat und zehn Minuten später wieder verschwand.«
»Dann verhören Sie doch den Pizzaboten.«
»Das würden wir gerne, aber er ist spurlos verschwunden. Der Laden,
für den er angeblich arbeitete, existiert überhaupt nicht. Es war ein Killer.«
»Was hat das mit mir zu tun?«
»Ein Pizzabote, ein Karton, der zurückgelassen wurde, mit einer
Quattro Stagioni drin. Warum lässt ein Profi so etwas zurück?«
»Vielleicht als Symbol? Jetzt kommen Sie mir noch mit der Mafia und
dass ich die heimliche Nachfolgerin Provenzanos bin! Bitte, ich warte.«
Valentina verschränkte die Arme und starrte zur Decke.
»Wir dürfen nichts ausschließen. Sie stammen aus Sizilien.
Recherchen haben ergeben, dass Ihre Familie durchaus Kontakte zur Mafia hat.«
»In Sizilien hat jeder Kontakte zur Mafia. Entweder so oder so,
verstehen Sie?«
»Wie Sie wissen, standen auch alle drei toten Frauen in Beziehung
zur Mafia.«
»Parizek, wachen Sie auf! Was soll die Mafia mit dem Mord an Zirner
zu tun haben?«
»Je schneller Zirner weg ist, umso schneller rücken Sie nach.«
»Und warum soll ich dann die Akte bei ihm mitgenommen haben, wenn es
mir nur um den Karrieresprung geht?«
»Sie haben gehört, dass der Fall von internationaler Bedeutung ist.
Das ist für Ihre Hintermänner natürlich höchst interessant. Informationen, die
die innere Sicherheit eines Staates betreffen, machen diesen Staat anfällig und
erpressbar. Ein gefundenes Fressen für eine Organisation, die sich schon seit zwei
Jahrhunderten von Erpressung ernährt, finden Sie nicht?«
»Sie haben sie nicht alle. Alles nur Unterstellungen. Es gibt keinen
einzigen Beweis, dass ich mit dem Killer von Zirner in irgendeiner Beziehung
stehe.«
»Wieso sollte der Killer aber dann ausgerechnet Ihnen die Akte
zukommen lassen, für die er Zirner ermordet hat?«
»Ich weiß es nicht. Vor allem verstehe ich nicht, warum in dieser
Akte nicht drinsteht, dass die ermordeten Frauen mit der Mafia zu tun hatten.
Können Sie mir das vielleicht erklären? Haben Sie sich die Geschichte mit der
Mafia vielleicht nur aus den Fingern gesogen, um mir den Fall zu entziehen? Bin
ich vielleicht zufällig jemandem aus höheren Kreisen auf der Spur, der einen
Hang zum Triebmord hat?«
»Valentina Fleischhacker, Sie bleiben vorerst in Untersuchungshaft
wegen Verdachts des Mordes an Gerwin Zirner und enger Kontakte zu einer
kriminellen Vereinigung. Abführen.«
* * *
Die Kargheit der Zelle machte ihr nichts aus. Aber der mangelnde
Bewegungsfreiraum zerrte an ihren Nerven. Zudem kochte sie vor Wut, was die
Enge des Raums nicht erträglicher machte. Parizek war ein Riesenarschloch, aber
dass er es sich erlauben durfte, sich so aufzuführen, machte Valentina noch
wütender. Sie hatten nichts gegen sie in der Hand, aber auch gar nichts. Ausgerechnet
jene Herren, die ihr gegenüber stets auf Fakten pochten, sogen sich plötzlich
phantastische Konstruktionen aus den Fingern, die zum Himmel stanken.
Warum sollte sie einen Killer auf Zirner ansetzen? Wer wollte ihr
Verbindungen zur Mafia unterschieben? Welche Informationen entsprachen der
Wahrheit? Hatte Burak ihr am Ende einen frisierten Stick gegeben? Hatte ihm
Parizek Druck gemacht? Sie konnte nicht glauben, dass Zirner ihr etwas
vorenthalten hatte. Aber warum hatte er dann nicht widersprochen, als ihnen der
Fall entzogen worden war? Weil er vor Bauer schweigen musste. Und weil hinter
Bauer noch ganz andere Leute standen, denen es wichtig war, dass der Fall
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