Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
auf edlen Pferden und metzelten hilflose Fußsoldaten mit ihren Säbeln nieder.
»Ich war schlimmer als ein Spion«, fuhr Hepburn tonlos fort. »Elender als ein Spion. Selbst die Zwangsrekrutierten in der Armee haben ehrenvollere Aufgaben erfüllt als ich.«
Clarice starrte ihn erstaunt an. Sein Körper schien förmlich zu glühen, sein Haar stand in Büscheln zu Berge. Sie zweifelte seine Worte zwar nicht an, aber sie verstand nicht genau, was er meinte. »Ihr seid doch ein konsequenter Mann. Wie ist dann so etwas möglich?«
Er lachte. Es war ein trockenes, hustendes Lachen. »Jemand musste die Drecksarbeit erledigen, und ich war eben sehr gut darin.«
»Was für eine Drecksarbeit?«
»Die Art von Arbeit, welche die Seele eines jeden Mannes beschmutzt.« Er deutete auf die halbvernähte Wunde auf seinem Arm. »Ihr hättet Feldscher werden sollen. Ich habe noch nie erlebt, dass mich jemand so fein säuberlich zusammengeflickt hat.«
»Wie viele Verletzungen habt Ihr denn davongetragen?«
»Einige.«
Einige. Natürlich. Wenn ein Mann mit der Art von Verachtung
für Schmerzen focht, wie Hepburn sie an den Tag gelegt hatte, dann musste er ja verwundet werden.
Während sie weiternähte, dachte sie über ihn nach. Wie schnell er Schlüsse ziehen konnte. Wie raffiniert er sie zuerst dazu verführt hatte, ihm zu Willen zu sein, und dann, als das nicht klappte, sie einfach erpresst hatte. Und jetzt brachte er sie dazu, ihm ihre Lebensgeschichte zu beichten. Sie hätte ihm am liebsten die Nadel einfach so in die Haut gerammt, aber wahrscheinlich hätte er den Unterschied nicht einmal bemerkt. Doch sie kannte ihre Pflicht. Sie musste seine Wunden behandeln. Diesen Liebesdienst durfte sie nicht persönlich nehmen. Sie hätte dasselbe für einen Hund getan, der von einem Karren überrollt worden war.
Sie nähte die Wunde zu. Dann öffnete sie einen ihrer Tiegel und trug ihre kostbare Heilsalbe auf die Verletzung auf.
»Was ist das?« Er beobachtete sie unter seinen langen Wimpern.
Der Ton seiner Frage gefiel ihr überhaupt nicht. Es klang fast so, als argwöhnte er, dass sie ihn vergiften wollte. »Eine Heilsalbe!«, entgegnete sie entsprechend schnippisch. »Sie soll Entzündungen verhindern.«
»Warum verkauft Ihr sie denn nicht bei Eurer Demonstration?«
»Ich kann sie hier nicht herstellen.« Sie war fertig und wickelte einen langen Baumwollstreifen um seinen Arm. »Das ist mein letzter Tiegel.« Und es war nur noch sehr wenig darin.
»Dann solltet Ihr die kostbare Salbe nicht an mich verschwenden«, knurrte er.
»Großmutter hat uns gelehrt, das Wohl der anderen über das eigene zu stellen, und ich kann mich einfach nicht über ihre Ermahnungen hinwegsetzen, ganz gleich, wie gern ich
das auch täte.« Auch wenn das stimmte, und Clarice am liebsten nur das Nötigste für Hepburn getan hätte, konnte sie doch den Gedanken nicht ertragen, dass er Fieber bekam und möglicherweise ins Koma fiel. Es schüttelte sie, wenn sie sich vorstellte, wie dieser Mann, der wie ein Berserker kämpfte und mit seiner inneren Verzweiflung rang, reglos und kalt dalag. In einem Tod, der dadurch verursacht worden war, dass sie nicht alles getan hatte, was in ihrer Macht stand, um ihn zu heilen …
»Und Ihr müsst Eurer Großmutter natürlich gehorchen«, stichelte er.
Undankbarer Kerl! Niederträchtiger Schuft! Sein Spott machte sie wütend.
Sie nahm seine andere Hand aus dem Wasser und untersuchte die geprellten Knöchel. Sie drückte ein Gelenk nach dem anderen und beobachtete sein Gesicht, ob er zusammenzuckte. Aber seine Miene blieb ausdruckslos. Gut. Wenn er sich einen Knochen gebrochen hatte, würde er eben leiden müssen. Nachdem sie ihre Salben auf die Wunden geschmiert hatte, verband sie die schlimmsten mit den weichen, weißen Baumwollstreifen. »So. Jetzt könnt Ihr zu Bett gehen und ruhen.«
»Noch nicht.«
Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu. »Habt Ihr noch irgendwo eine Wunde, die ich nicht sehe? Nein? Dann bin ich wohl fertig«, erwiderte sie forsch.
Er reichte ihr seine große Hand. »Heute früh... haben wir eine Abmachung getroffen. Eure Kooperation für Blaize. Wir haben sie noch nicht mit einem Handschlag besiegelt.«
Sie starrte auf seine blutige, bandagierte Hand, die so hart schien wie ein Fels, und etwas zu spät regte sich eine Warnung in ihrem Bauch. Vergaß er denn gar nichts? Bestand er
immer darauf, dass seine Partner freiwillig oder unfreiwillig ihre Zustimmung mit dieser uralten Geste
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