Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
die Lande und haben überlebt.«
»Mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich daran denke, dass ihr allein durch England gezogen seid. Warum seid ihr nicht irgendwo geblieben und habt euch ein Zuhause geschaffen? Irgendwo muss es euch doch gefallen haben.«
Sie löste sich aus Jermyns Umarmung, schlang die Arme um die Knie und blickte aufs Meer. »Großmutters persönlicher Kurier spürte uns auf und ließ uns wissen, dass man uns nach dein Leben trachtete.«
Jermyn wandte sich ihr erstaunt zu.
»Ich wollte ja irgendwo bleiben, aber Clarice war anderer Meinung. Ich wusste, dass sie recht hatte, aber ich war die ständigen Täuschungen leid, die dauernde Angst... und außerdem suchten wir Sorcha. Ich fühlte - ich glaube, es ging uns beiden so -, dass wir einen entscheidenden Schritt weiter wären, wenn wir nur unsere älteste Schwester fanden. Daher zogen wir immer weiter.«
Jermyns Augen verengten sich.
Schenkte er ihr nach all dem Vertrauen nun etwa keinen Glauben mehr? Als sie und Clarice unterwegs gewesen waren, war der Argwohn ihr ständiger Begleiter. Und dennoch hatte sie sich so rasch an Jermyn gewöhnt, der ihrem Versprechen und ihren Worten Glauben schenkte. Dieses Gefühl wollte sie nicht verlieren, und sie wollte ihn nicht verlieren. Doch sie wusste nicht, was sie tun sollte, anstatt die Wahrheit zu erzählen. »Godfrey sagte uns, Großmutter werde uns durch Anzeigen in den Gazetten mitteilen, dass wir wieder sicher in unsere Heimat zurückkehren können. Großmutter hält ihr Wort, aber bislang wurde keine Anzeige auf gegeben.«
»Tut mir leid, aber die Geschichte, die euch der Kurier deiner Großmutter erzählte, klingt widersinnig. Unschuldige junge Damen sollten nicht solchen Torturen ausgesetzt werden!«
Amy war erleichtert. Seine Zweifel galten nicht ihr, sondern Godfrey.
»Deine Großmutter wusste, dass ihr in England auf euch allein gestellt wart«, fuhr Jermyn fort, »und über keine Mittel verfügtet, euch zu ernähren. Sie scheint eine starke Frau zu sein, und eine starke Frau hätte nicht nur eine Nachricht, sondern auch Schutz geschickt. Ihr hättet jeden Tag euer Leben verlieren können - und vielleicht war das auch der Plan eurer Feinde. Wenn dieser Godfrey wirklich im Dienst deiner Großmutter stand, wäre er nicht von eurer Seite gewichen.«
»Du hast recht, das klingt alles ziemlich töricht.« Sie schluckte und räumte dann ein: »Meine Großmutter hat manch unschöne Eigenschaft, aber Dummheit gehört nicht dazu.«
Warum war ihr das bislang gar nicht auf gefallen?
Wahrscheinlich weil sie erst zwölf Jahre alt war, als man Clarice und sie aus dem Pensionat warf. Als Kind konnte sie nicht unterscheiden, was falsch und richtig war. Und als sie älter wurde, war sie so mit dem Überleben beschäftigt, dass sie den Schmerz der Einsamkeit und den Kummer über den Tod ihres Vaters in die Tiefen ihres Gedächtnisses verbannt hatte. Hätten Clarice und sie längst nach Beaumontagne zurückkehren sollen? Hatten sie den Schritt gescheut? Das wäre eine bittere Erfahrung.
»Vertraust du diesem Mann?«, fragte Jermyn. »Diesem Godfrey? Denn wenn man dem Boten nicht traut, darf man auch der Nachricht nicht trauen.«
»Ich weiß nicht, wie Godfrey einzuschätzen ist, Jermyn.« Ihre Stimme bebte. »Ich war doch noch ein Kind.«
»Du bist auch jetzt noch jung.« Er wollte das Thema wechseln und streichelte über ihr bebendes Kinn. »Gerade einmal neunzehn.«
Sein Mitgefühl traf sie in ihrem Stolz, und sie erwiderte: »Vielleicht habe ich mich von Godfrey blenden lassen, aber ich versichere dir, Jermyn, dass ich meine Erfahrungen im Leben gemacht habe.«
»Aber du kannst es nicht haben, wenn ich betone, wie jung du noch bist.« Er amüsierte sich im Stillen. »Ich habe fast das Gefühl, dass ich mich auf ein Kind eingelassen habe.«
Aber sie wusste, wie sie ihm die Genugtuung austreiben konnte. »Ja, und du bist schon so alt«, stimmte sie ernst zu.
Er drückte sie rücklings ins Gras.
Lachend setzte sie sich zur Wehr.
Doch schon bald hielt er ihre Arme oberhalb ihres Kopfes fest und küsste sie, während die Welt sich nur um sie und ihn zu drehen schien. »Gewonnen!«, raunte er an ihren Lippen.
»Nur weil du rohe Gewalt anwendest.«
»Immer noch besser als Betäubungsmittel in einem Glas Wein«, gab er zurück.
»Das denkst du auch bloß, weil dir nur rohe Gewalt einfällt.«
Er grinste durchtrieben. »Aber ich habe gewonnen.«
»Ja gut, du hast gewonnen.« Sie tat seine
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