Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
läuft alles auf dasselbe hinaus. Ich möchte seinen Gipfel besteigen.«
Die Damen, die bei der Gräfin saßen - Miss Hilaire Kent, Lady Phoebe Breit und Ihre Hoheit, die Herzogin von Seymour —, kreischten vor Lachen.
Amy quittierte die zotige Anspielung mit einem rätselhaften Lächeln und ging einfach an den Damen vorbei.
Die beiden Herren an Amys Seite aber - Lord Howland Langford und dessen Bruder Manning Langford, der Graf von Kenley - trauten ihren Ohren nicht und sahen die Damen entsetzt an.
»Es bricht mir das Herz, wenn ich darüber nachdenke, wen er sich zur Braut genommen hat.« Es brach ihr das Herz? Ha! Lady Alfonsine klang gehässig. »Ein dahergelaufenes Mädchen, von dem noch niemand etwas gehört hat, behauptet, eine Prinzessin zu sein. Also wirklich!«
»Geradezu absurd!«, bestätigte Miss Kent.
Natürlich hatten die Damen gesehen, dass Amy das Foyer durchquerte und zur Tür ging, und versprühten nun absichtlich ihr Gift.
»Lebt schon vor der Hochzeit bei ihm und behauptet, eine Waise zu sein.« Lady Phoebe senkte die Stimme, aber Amy bekam trotzdem jedes Wort mit. »Seine Diener erzählen zwar, dass die beiden in verschiedenen Flügeln wohnen, aber wir wissen ja, wie unzuverlässig die Dienstboten heutzutage sind.«
»Nach dem Skandal mit seiner Mutter sollte man doch meinen, dass der Marquess nicht den Fehler machen würde, sich eine Gemahlin aus den unteren Schichten zu suchen«, sagte Miss Kent spitz.
»Ganz recht«, pflichtete Lady Alfonsine ihr bei. »Aber hier zeigt sich wieder einmal, dass eine schlechte Kinderstube immer irgendwann zum Vorschein kommt!«
Amy hatte genug. Sie wirbelte auf dem Absatz herum und hielt auf den Salon zu, die Augen zu gefährlichen Schlitzen verengt, die Finger zu Fäusten geballt.
Der Graf von Kenley bekam Amy am Ellbogen zu fassen und hielt sie zurück. »Hören Sie nicht auf das, was die sagen.« Der Graf war ein kleinlicher Zeitgenosse, der einen ausgesuchten Geschmack besaß und eher dem eigenen Geschlecht zugeneigt war. Brauchte er indes jemanden, dem er sich anvertrauen konnte, hielt er sich an die Frauen. »Die Damen sind doch nur eifersüchtig.«
Sie versuchte, sich von ihm loszumachen. »Es ist mir gleich, ob sie eifersüchtig sind, aber sie sollen sich unterstehen, in dieser unverschämten Weise über Jermyn oder seine Mutter zu reden.«
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte Kenley. »Wollen Sie den Damen die Köpfe aneinanderschlagen?«
»Trauen Sie mir das nicht zu?«, entgegnete sie mit einem scharfen Seitenblick.
Hastig zog der Graf seine Hand zurück.
Aber er hatte recht. Sie sollte keine Szene machen, nicht an diesem Tag. Denn sie wollte nicht, dass die Gäste hinter vorgehaltener Hand über ihr Benehmen tratschten. Lieber wollte sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihren Verlobten richten, der zweifelsohne in Gefahr schwebte ... falls Harrison Edmondson wirklich ein Mordkomplott schmiedete. Daher ging sie wieder zu der Flügeltür, die zum Garten hinausging, wo im Pavillon ein elegantes Büfett angerichtet war. Es handelte sich um den Empfang anlässlich Jermyns Geburtstag, und gegen Abend würde es zu einem tragischen Zwischenfall unter Zeugen kommen.
Sowie der Diener die Tür öffnete, betrat Amy die Stufen der Freitreppe vor dem Haus. Jermyn und Amy waren gerade rechtzeitig in das Herrenhaus gezogen, denn das Unwetter wütete drei Tage, entwurzelte Bäume, jagte den Regen gegen die Fensterscheiben und trieb riesige Wellen landeinwärts, die mit voller Wucht gegen Felsen und Klippen brandeten. Die Naturgewalt war furchtbar gewesen, und als das Wetter sich endlich beruhigte, mussten die Gärtner rasch die Beete sauber machen, die umgestürzten Bäume beseitigen und Blätter und Zweige von den Rasenflächen harken. Doch an diesem Tag merkte man nichts mehr von der zerstörerischen Kraft des Sturms; Fassaden und Kieswege des Anwesens leuchteten in der Sonne, die am strahlend blauen Himmel stand. Ganz so, als hätte der Marquess von Northcliff sich diesen Tag für sein Vorhaben ausgesucht.
»Ach Kenley, du bist doch auch eifersüchtig, dass Northcliff nun nicht mehr zu haben ist«, bemerkte Lord Howland mit einem verständnisvollen Lächeln an.
»Ja, aber ich trage meinen Kummer nicht im Beisein von Lord Northcliffs Verlobter zur Schau, um Himmels willen!« Kenley klang schockiert, fügte dann aber gerissen hinzu: »Wenn Sie mir allerdings erlauben würden, Sie bei der Wahl ihrer Kleidung zu beraten, meine liebe Prinzessin, dann
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