Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
immer Clarice bewundert, nicht Amy.
Aber als Lord Northcliff sie wissen ließ, er hätte jedes Hindernis beseitigt, um sie zu seiner Mätresse zu machen ...
Er machte Scherze. Oder mochte es daran liegen, dass er sich gleich mit der erstbesten Frau zufriedengab, wenn er einen Tag lang seinen sündhaften Lebenswandel nicht ausleben konnte?
Aber wenn das stimmte, wie moralisch verdorben wäre er nach zwei Tagen Gefangenschaft?
Und warum verspürte sie diese Wärme in ihrem Herzen? Warum regte sich die Weiblichkeit in ihr?
Wer war sie ? Woher kam sie ?
Großer Gott. Sie wusste allmählich nicht mehr, was sie denken sollte.
Beaumontagne, zwölf Jahre zuvor
Mit einem frechen Blick über die Schulter schlidderte die siebenjährige Amy über den glänzenden Marmorboden des königlichen Vorzimmers, ln ihrem Übermut riss sie die Tür des Wandschranks auf. In diesem großen , alten und fein gearbeiteten Möbelstück wurden die königlichen Mäntel für hohe Anlässe aufbewahrt. Hastig, aber möglichst leise, versteckte sie sich in den Tiefen des Schranks. Das Holz knarrte unter ihren Schritten, und sie erstarrte. Wenn sie nicht leise genug war...
Schritte im Gang.
Der Klang von hochhackigen Schuhen, begleitet von dem Klopfen des Gehstocks.
Feste, energische Schritte; es waren mehrere Personen.
»Dieses Kind ist unverbesserlich.« Großmutters Stimme. Die Königinwitwe Claudia. Sie kam näher. Betrat das Vorzimmer.
Es war dunkel in dem Schrank. Der Geruch von Zedernholz stieg Amy in die Nase. Und ihr Herz schlug so schnell , dass sie fürchtete, Großmutter könne das Pochen hören.
Die alte Frau mit der langen, hageren Nase hatte die unheimliche Gabe, den Enkeltöchtern sofort auf die Schliche zu kommen, wenn die Kinder wieder einmal Unfug gemacht hatten. Würde sie auch jetzt merken , wo Amy steckte ?
»Weißt du, was deine jüngste Tochter gerade angestellt hat?«, fragte Großmutter in scharfem Ton.
»Ist sie wieder einmal über das Treppengeländer gerutscht und dann mit dem Marschall zusammengepralltt« Amys Vater, König Raimund, klang nachsichtig.
»Nein, Sire.« Sir Alerio sprach im Flüsterton, ganz so, als arbeite er ständig nur mit den edlen Pferden, die man nicht mit zu lauter Stimme erschrecken durfte. »Prinzessin Amy ist schon über zehn Tage nicht mehr mit mir zusammengestoßen.«
Amy bewegte sich äußerst vorsichtig zwischen all dem Samt, den Seidenstoffen und den Pelzen und spähte durch ein kleines Astloch im Holz. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben. Bedienstete eilten leise von einer Kerze zur nächsten, um dem tristen Grau des Tages etwas Licht entgegenzusetzen. Ihr Vater war von seinen Höflingen umringt.
Lord Octavio, der Haushofmeister. Sir Alerio, der Marschall. Lord Carsten, der Verwalter. Lord Silas, der Premierminister.
Abgesehen von Sir Alerio mochte Amy die Höflinge nicht. Ihre Schwester Sorcha meinte, die Männer seien wichtig , aber Amy sah nur langweilige, alte Männer mit schlaffem Kinn und krummen Nasen, die keine Geduld mit drei ausgelassenen Prinzessinnen hatten.
»Freut mich, zu hören, Alerio.« Papa war nicht so groß wie die anderen Männer und hatte einen beträchtlichen Leibesumfang. Der verschnörkelte Schnurrbart und die langen Koteletten gaben seinem rundlichen Gesicht eine lustige Note. Der purpurrote Umhang verlieh ihm eine wahrhaft königliche Aura.
Amy liebte ihren Vater. Sie liebte ihn mehr als jeden anderen auf der Welt, und jetzt wünschte sie, ihr Papa würde sie in die Arme schließen. Wenn die anderen doch endlich Weggehen würden. Dann könnte sie den Kopf an Papas Schulter lehnen, und schon wären alle Sorgen vergessen.
»So, Königin Claudia.« Papa nahm die Krone ab und bettete sie auf das scharlachrote Kissen, das Lord Carsten bereithielt. Der für die Reichsinsignien zuständige Diener brachte die Krone an einen sicheren Ort, gefolgt von zwei anderen Lakaien und Lord Carsten. »Ist Amy wieder auf den Baum bei der Auffahrt geklettert und von dort in die Kutsche der Herzogin gesprungen ?«
Die Höflinge glucksten hinter vorgehaltener Hand.
Großmutter wandte sich den Männern mit strenger Miene zu, woraufhin die Höflinge ihre Belustigung mit einem Hüsteln zu überspielen suchten.
Niemand konnte dem Zorn der alten Dame unbeein trächtigt standhalten. Sie war eine große, hagere Erscheinung und hatte stechende blaue Augen, mit denen sie Amy bis auf den Grund der Seele blickte und jede noch so sorgsam versteckte Missetat auf
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