Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
Familie in Sicherheit zu bringen ...«
Ihr Vater brachte ihn mit einem energischen Ausruf zum Schweigen.
Amy hob den Kopf. Rasch war sie auf den Knien und schaute aus dem Astloch. Sie wollte unbedingt mitbekom men, was Sir Alerio zu sagen hatte. Die Familie in Sicherheit bringen ? Wie lange sollte das dauern ? Ein paar Tage? Vielleicht Wochen ?
»Ihr wisst, was zu tun ist, meine Herren.« Papa entließ die Höflinge mit einer gebieterischen Handbewegung. »Und jetzt möchte ich gern für mich sein.«
Die Höflinge verbeugten sich und zogen sich aus dem Vorzimmer zurück. Die hohe, schwere Flügeltür fiel beinahe lautlos ins Schloss.
Papa ging auf den altehrwürdigen Thron zu, nahm dort Platz und fuhr sich mit der Hand durch das braune Haar. Er sah wirklich erschöpft aus, als habe er viele Nächte vor Sorgen kein Auge zumachen können. Amy verstand das nicht. Warum sah ihr Vater mit einem Mal so niedergeschlagen und kraftlos aus?
Dann vernahm sie seine freundliche Stimme. »Amy, komm zu mir.«
Ihr Vater schaute geradewegs zum Schrank herüber.
Woher wusste er, dass sie sich dort versteckte ?
»Ich habe mich dort versteckt, als mein Vater noch auf diesem Thron saß«, erklärte er, als hätte sie ihm eine Frage gestellt. » Und du hattest Glück, dass nur ich dich gesehen habe, als die Tür aufschwang.«
Vorsichtig drückte sie die schwere Tür auf. Zögerlich streckte sie einen Fuß heraus, bis er den Boden berührte. Sie schaute in Richtung Thron und sah, dass ihr Vater sie genau beobachtete; sie lächelte ihn unsicher an. Ihr Vater liebte sie. Das wusste sie. Aber er erwartete von ihr, dass sie sich benahm; nicht unbedingt wie eine Prinzessin, doch sie sollte freundlich sein.
Und freundlich war sie eben nicht gewesen.
Das wusste sie.
Und er wusste es auch. Er würde wütend sein.
Langsam kam sie auf ihn zu, setzte sorgsam einen Fuß vor den anderen.
Er sagte kein Wort.
Sie warf einen verstohlenen Blick auf seine Miene.
Er sah gar nicht wütend aus. Es war noch viel schlimmer.
Er sah enttäuscht aus.
»Euer Hoheit? Papa?« Ihre Stimme zitterte.
»Komm zu mir ; Amy.« Er klang sogar enttäuscht.
Oh, nein. Sie verspürte ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Papa war doch immer ihr Held gewesen, aber sie hatte sich noch nie so schlecht benommen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, als sie das Vorzimmer durchquerte. Als sie schließlich unmittelbar vor dem Thron stand, starrte sie absichtlich nur auf die Schnallen auf den Schuhen des Königs und befürchtete, ihr Vater würde ihr nun auftragen, eine Rute von der Weide im Garten abzubrechen.
»Also gut, meine Kleine.« Seine Hände schoben sich in ihr Blickfeld. Er hob Amy hoch und setzte sie auf seinen Schoß. »Erzähl mir, was passiert ist.«
Er liebte sie immer noch. Papa liebte sie nach wie vor. Er roch nach Tabak, und er war so schön warm und freundlich. Sie vergrub ihren Kopf an seiner Brust und begann mit schluchzender Stimme: »Dieser alte dämliche Prinz hat es nicht anders verdient. Er ist ein großer, alter dämlicher ... Junge.«
»Das bezweifele ich nicht, aber was hat er diesmal gemacht?« Papa legte nicht den Arm um sie.
Auch daran war der dämliche alte Rainger schuld.
»Er hat gesagt ...er hat gesagt...« Amy rang nach Luft.
»Er hat gesagt, dass ich meine Mutter , die Königin, umgebracht habe.« Sie hielt den Atem an und wartete, dass ihr Vater ihre Aussage bestreiten würde.
Doch er schwieg.
»Er hat gesagt, dass ich schuld an ihrem Tod bin und dass sie traurig sein muss, wenn sie nun vom Himmel herunterschaut und sieht, was für ein« — sie brachte die Worte kaum über die Lippen - »schmutziges, unanständiges kleines Mädchen ich bin.«
»Rainger steht es nicht zu, ein Kind für schlechte Manieren zu tadeln.« Papas Stimme hatte einen scharfen Unterton. »Als er in deinem Alter war, konnte er sich auch nicht besser benehmen.«
»Das kann er immer noch nicht! Er glaubt, nur weil er der Kronprinz von Richarte und mit Sorcha verlobt und älter als wir ist, dass er zugleich besser ist als wir, aber das stimmt gar nicht!«
»Aha, und da du dich durch ihn verletzt fühlst und dich für klüger hältst, willst du ihm doch hoffentlich nicht nacheifern?«
Amy hatte sich schon in Sicherheit gewiegt, merkte jetzt aber, dass ihr Vater nicht auf ihrer Seite war.
»Amy, du willst mir doch nicht weismachen, dass du dich heute vorbildlich benommen hast, oder?« Seine Stimme klang sehr ernst und sehr würdevoll. »Deine
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