Lost Secrets (Gesamtausgabe)
quälen?
„Mein Fazit“, hob Eric an, der sie stumm beim Lesen beobachtet hatte, „ist, dass er besessen von dir ist. Laienhaft ausgedrückt.“
Sie starrte auf die Aufzeichnungen. Erics Fazit entsprach zu 100 Prozent Heathers Gefühl. Widerwillig erinnerte sie sich an die Stunden, die sie mit ihm verbracht hatte. Er war so nachdrücklich gewesen.
„Er hat immer und immer wieder gesagt, dass ich ihn nicht hätte verlassen sollen.“ Ihre Stimme war leise und sie wagte es nicht, Eric anzusehen. Sie spürte, wie er Luft holte und wusste, dass auch ihm dieses Gespräch alles andere als leicht fiel.
„Hattest du eine Beziehung mit ihm?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich … ich war nur eine Nacht mit ihm zusammen.“ Als sie aufsah, las sie die Frage in seinem Blick. „Ich vögle mich nicht durch die Gegend, falls das dein Eindruck ist. Es war ein paar Wochen nach Jakes Tod. Ich … ich stand gelinde gesagt neben mir.“
Eric nahm einen Schluck Cola. „Ich habe Jakes Akte nicht gelesen.“
Heather hatte noch nie über das gesprochen, was damals geschehen war. Wenn sie nicht gerade schweißgebadet aufwachte oder sie die Erinnerungen in einen quälenden Tagtraum zerrten, gelang es ihr meistens das Geschehene zu verdrängen. Sie wollte und sie konnte es bisher mit niemandem teilen, auch nicht mit dem Psychologen, den man ihr versucht hatte aufzuschwatzen. Aber hier und jetzt, änderte sich das. Eric änderte es, begriff Heather und gab dem Wunsch nach sich ihm mitzuteilen.
„Wir hatten über Monate hinweg einen Mädchenhändlerring beobachtet und wollten ihn an diesem Abend ausheben. Wir waren zu sechst, als wir die Mädchen gefunden haben.“ Sie schüttelte angewidert den Kopf. „Manche kaum älter als Zehn, zusammengepfercht wie Vieh in einem dunklen, nassen Keller. Es roch nach Blut und Urin. Sie waren verstört, panisch. Alle waren vergewaltigt worden, um sie gefügig zu machen.“
Erics Miene wurde hart, doch er schwieg, und Heather fuhr fort.
„Wir holten sie raus und alles schien glatt gelaufen zu sein. Der Einsatz war im Prinzip schon vorbei. Da fiel plötzlich ein Schuss. Und Jake sackte in sich zusammen.“ Sie knetete ihre Finger. Jetzt, wo sie es erzählte, war es wieder so real, so schmerzhaft. Der Stachel des Verlustes bohrte sich in ihre Brust und nahm ihr den Atem. Sie schnappte nach Luft, bevor sie fortfuhr. „Es … war ein Kopfschuss. Jake … er … war sofort tot. Obwohl ich das gar nicht verstand, gar nicht wahrhaben wollte.“
„Du hast den Mädchenschieber erschossen.“ Es war keine Frage.
„Ja, ich … hab ihm die Brust perforiert, dem verdammten Schwein. Dann habe ich mich zu Jake umgedreht, habe ihn geschüttelt, habe die Blutung gestillt.“ Sie klopfte sich selbst gegen den Kopf, das Gesicht verzerrt vor Verzweiflung. „Ich hatte einfach nicht kapiert, dass er tot war. Meine Kollegen haben mich von ihm weggezerrt. Sie wollten in Deckung gehen, mich in Sicherheit bringen. Aber ich habe um mich geschlagen. Einem von ihnen habe ich die Nase und das Trommelfell zertrümmert. Ich wollte unbedingt zurück zu Jake. Ich … ja, ich hab‘ es einfach nicht kapiert“, wiederholte sie resigniert.
Ihr Kopf sackte auf die Brust und sie schloss für einen Augenblick die Lider, versuchte sich mit tiefen Atemzügen zu sammeln.
„Hast du ihn geliebt?“
Heather sah auf. „Was hat das mit dem Fall zu tun?“
Eric hielt ihrem eindringlichen Blick stand. „Gar nichts.“
Ohne eine bestimmte Absicht griff sie nach den Aufzeichnungen, schwieg, fuhr mit den Fingerspitzen hektisch ein paar der handgeschriebenen Worte nach.
„Ich habe ihn sehr geliebt“, gab sie schließlich zurück und brach so unvermittelt in Tränen aus, dass es sie selbst überraschte.
Tiefe Schluchzer zerrissen ihr die Brust, nahmen ihr den Atem und die Sicht. Plötzlich spürte sie Erics Hände an ihrem Körper. Als sie aufsah, betrachtete er sie schweigend, hob sie hoch und setzte sich mit ihr auf dem Schoß wieder auf seinen Stuhl, schloss sie fest in seine Arme.
Seine Berührung war der innigste Trost, den sie sich vorstellen konnte; warm und beschützend. Seine Stärke echote in ihrem Körper und verlieh ihr neue Kraft. Fast fühlte es sich so an, als würde es sie auf einer elementaren Ebene heilen. Obwohl sie es gar nicht verdient hatte. Obwohl sie einen so schrecklichen Fehler begangen hatte.
Langsam verebbten ihre Schluchzer und sie holte tief Luft. Eric gab ihr ein Taschentuch, mit dem sie
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