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Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Titel: Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Roth
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neun Uhr morgens. Harry hatte Ben gerade in den Kindergarten gebracht und war noch einmal nach Hause gekommen, um einen Kaffee zu trinken. Ich wollte ins Bad. »Wie schön ruhig sie daliegt, oder?« Ich habe Carla, ihre schwarz-weiße Puppe, neben Lotta auf die Decke gelegt und bin Zähne putzen gegangen. Als ich wieder runterkam, habe ich sie gefunden.

    Im Rettungswagen. Die Notärztin hat ihr eine Rektiole in den Po gegeben, Lotta hat einmal tief Luft geholt und sonst nicht reagiert. Sie zuckt immer noch. Ich neben ihr auf einem Klappsitz. »Mama ist ja da, Mama ist ja da ...« Harry hinter uns im Auto. Wir fahren viel zu langsam los. »Schneller«, will ich rufen. Stattdessen: »Nicht da lang, das ist eine Sackgasse!«
    Der Sanitäter neben mir klopft an die Scheibe nach vorne, zum Fahrerhaus. Es gibt nur einen Weg aus dem Gewirr von Einbahnstraßen raus aus unserem Viertel. »Das Navi«, sagt er entschuldigend. Ich nehme Lottas Hand. Sie zittert. »Mama ist ja da.« An ihrem Finger steckt ein Sauerstoffsensor. Das Martinshorn beginnt zu jaulen. »Wohin soll es denn gehen?«, fragt der Sanitäter.

    »Dr. Waltz ist nicht da«, sagt die Assistenzärztin in der Notaufnahme. Wir sitzen in einem engen Zimmer, Lotta liegt auf einer Untersuchungsliege. Ihr Atem rasselt, sie hat Schaum vor dem Mund. »Das geht schon vierzig Minuten, das muss jetzt aufhören!« Noch nie war ich so froh, Harry brüllen zu hören. »Ich will jetzt sofort den Chef Ihrer Station sprechen.«
    Die Schwester hebt beruhigend die Hand »Nun mal langsam ...«
    »Nix langsam«, donnert Harry. Die Schwester tritt einen Schritt zurück, Hände erhoben.
    Die Ärztin sagt: »Wir haben Ihrer Tochter gerade ein Medikament gegeben, das muss erst mal wirken.«
    »Aber es hilft doch nicht!«, schreie ich. Lottas ganzer Körper bebt, ihre Arme und Beine sind ausgestreckt und pumpen rhythmisch nach außen.

    Auf der Intensivstation. »Status epilepticus«, hat die Ärztin bei der Übergabe gesagt. Eine Stunde. Es folgt eine Liste von Medikamenten, die nicht geholfen haben. »Gehen Sie bitte zur Seite und lassen uns unsere Arbeit machen.«
    Ich trete zurück. Drei Leute stehen um Lotta. Keiner spricht. Sie ziehen sie nackt aus. Sie verkabeln Lotta und schließen sie an Geräte an. Es ist sehr still, leise piepen die Maschinen. Harry steht neben mir und nimmt meine Hand. Sie legen einen Zugang. Als die Nadel in ihre Haut eindringt, reagiert Lotta nicht.
    Als eine Ärztin beiseitetritt, schiebe ich mich in die Lücke und streichele Lottas Arm. Er liegt wie tot, doch ihr Atem rasselt immer noch. Die Augen zucken. Sie hat Gänsehaut. Ich nehme mein Halstuch ab. Es ist blassgrün, ein dreieckiges Tuch mit Fransen. Daran geknüpft silberne Kugeln, Sterne. Lottas weißer, kleiner Körper passt ganz darunter, ich decke sie zu wie abends im Bett mit ihrer Daunendecke. Ihre Stirn kalt an meinen Lippen. »Mama ist ja da«, flüstere ich. »Mama ist ja da.«

    »Was ist hier los?« Auftritt Dr. Stephan Waltz. Er trägt einen schwarzen Anzug. »Wir müssen jetzt sofort wissen, was in dem Kopf los ist!« Er donnert fast noch lauter als Harry.
    MRT. Lotta muss in die Röhre. So wie ich damals, als sie noch in meinem Bauch war. Verdacht auf Hirnblutung. Sie krampft seit fast zwei Stunden. »Für das MRT kriegt sie eine Vollnarkose, das beendet in aller Regel den Anfall«, erklärt Dr. Waltz. Er lächelt beruhigend.
    »In aller Regel?«
    Er zögert. »Es gibt auch Kinder, die finden nicht mehr heraus.«
    Sie schieben Lotta hinter eine Tür. Wir müssen in einen Warteraum. Zwanzig Minuten. Harry legt mir den Arm um die Schulter, ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. Er sagt leise: »Schschhhh …«

    Lotta stirbt nicht an diesem Tag. Sie findet wieder heraus. Es ist keine Hirnblutung. Die Vollnarkose löst den Krampf.
    Dr. Waltz sitzt später bei uns im Zimmer, oben auf der Station. Anfang 50, graue kurze Haare, nur wenig größer als ich. Ich werde ihn nie wieder so laut donnern hören wie eben auf der Intensivstation. Er ist kein Arzt, der poltert. Er spricht leise, aber bestimmt, oft von Wahrscheinlichkeiten, fast nie von Gewissheiten. »Normalerweise wartet man den zweiten Anfall ab. Aber wenn Sie einverstanden sind, beginnen wir jetzt mit der Behandlung.«
    »Das will ich kein zweites Mal erleben«, sage ich.
    Lotta kriegt ihr erstes Epilepsie-Medikament. In der Tür dreht er sich um und blickt an sich herunter: »Übrigens, entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug. Ich

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