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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Vertrauens?«
    »Ich will mich eines Wohlwollens nicht rühmen, das ich nicht meinen Eigenschaften, sondern meinen Gesinnungen zu danken habe.«
    »O, das hängt wohl zusammen. Mich will fast Eifersucht ankommen, da ich den Platz der stellvertretenden Mutter, auf den ich ein wenig ambitioniere, besetzt finde. Verzeihen Sie mir, wenn ich mir trotzdem die mütterliche Anteilnahme nicht ganz verwehren lasse und frage: Haben Sie wohl auch unter Personen, die Ihnen dem Alter nach näher stehen, als Schillers Witwe, den einen oder anderen Freund und Vertrauten?«
    Sie neigte sich gegen ihn bei diesen Worten. August sah sie mit einem Blicke an, in dem Dankbarkeit und verlegene Scheu sich mischten. Es war ein weicher, trüber, trauriger Blick.
    {267} »Das hat sich«, antwortete er, »freilich nie so recht fügen und geben wollen. Wir berührten's ja schon, daß unter meinen Altersgenossen sich so mancherlei Gesinnungen und Strebungen hervortun, die einem reinen Vernehmen im Wege sind und zu immerwährenden Accrochements führen würden, ohne die Zurückhaltung, die ich mir auferlege. Die Zeitläufte, finde ich, verdienen als Motto gar sehr den lateinischen Spruch von der siegreichen Sache, die den Göttern – und der besiegten, die dem Cato gefallen hat. Ich leugne nicht, daß ich dem Verse seit langem die gefühlteste Sympathie entgegenbringe, – der heiteren Gefaßtheit wegen, womit die Vernunft sich darin ihre Würde salviert gegen die Entscheidung des blinden Schicksals. Dies ist das Seltenste auf Erden; das Gemeine ist eine schamlose Untreue gegen die causa victa und ein Kapitulieren vor dem Erfolge, das mich erbittert wie nichts in der Welt. Ach, die Menschen! Welche Verachtung hat die Epoche uns lehren können für die Lackaienhaftigkeit ihrer Seelen! Vor drei Jahren, anno 13, im Sommer, als wir Vater bewogen hatten, nach Töplitz zu gehen, war ich in Dresden, das damals von den Franzosen besetzt war. Die Bürger feierten folglich den Napoleonstag mit Fensterbeleuchtung und Feuerwerk. Im April noch hatten sie den Majestäten von Preußen und Rußland mit weißgekleideten Jungfrauen und Illumination gehuldigt. Und der Wetterhahn brauchte sich nur aufs Neue zu drehen … Es ist garzu erbärmlich. Wie soll sich denn auch ein junger Mensch den Glauben an die Menschheit bewahren, wenn er die Verräterei der deutschen Fürsten erlebt hat, die Felonie der berühmten französischen Marschälle, die ihren Kaiser in der Not verließen …«
    »Sollte man sich auch wohl erbittern, mein Freund, über das, was garnicht anders sein kann, und gleich den Glauben an die Menschheit über Bord werfen, wenn Menschen sich wie Menschen benehmen – nun gar gegen einen Unmenschen? Treue {268} ist gut und mit dem Erfolge zu laufen nicht schön; aber ein Mann wie Bonaparte steht und fällt nun freilich einmal mit dem Erfolge. Sie sind sehr jung, aber mütterlich wünschte ich Ihnen, Sie möchten sich an dem Verhalten Ihres großen Vaters ein Beispiel nehmen, der damals am Rheine oder Maine die Feuer zum Gedenken der Leipziger Schlacht so heiter genoß und es ganz natürlich fand, daß was dem Abgrund kühn entstiegen, schließlich doch zum Abgrund zurückmüsse.«
    »Er hat aber nicht geduldet, daß ich gegen den Mann des Abgrundes zu Felde zöge. Und, lassen Sie mich das hinzufügen, er hat mir väterliche Ehre damit erwiesen; denn die Jünglingsart, die sich dazu drängte und dafür paßte, die kenne ich und verachte sie aus Herzensgrund, – diese Laffen vom preußischen Tugendbund, diese begeisterten Esel und Hohlköpfe in ihrer schmucken Dutzendmännlichkeit, deren platten Burschenjargon ich nicht hören kann, ohne vor Wut zu zittern …«
    »Mein Freund, ich mische mich nicht in die politischen Streitfragen der Zeit. Aber lassen Sie mich's gestehen, daß Ihre Worte mich auf eine Weise traurig machen. Vielleicht sollte ich mich freuen, wie die liebe Schillern es tut, daß Sie zu uns Alten stehen, und doch will es mich schmerzlich, mich schreckhaft berühren, wie die leidige Politik Sie von Ihren Altersbrüdern, Ihrer Generation isoliert.«
    »Ist doch«, erwiderte August, »die Politik ihrerseits nichts Isoliertes, sondern steht in hundert Bezügen, mit denen sie ein Ganzes und Untrennbares an Gesinnung, Glauben und Willensmeinung bildet. Sie ist in allem Übrigen enthalten und gebunden, im Sittlichen, Aesthetischen, scheinbar nur Geistigen und Philosophischen, und glücklich die Zeiten, wann sie, ihrer unbewußt, im Stande

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