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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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darin, als daß das Kanapee wegkam aus dem Studio, weil ich die Schränke brauchte bei sich mehrenden Akten, und der Armstuhl hier am Bett kam hinzu, den die Oberkammerherrin mir schenkte, die Egloffstein. Das war aller Wechsel und Wandel. Aber was ist nicht hindurchgegangen durchs Immergleiche und hat drin getobt an Arbeit, Geburt und Mühsal. Solche Mühe hat Gott dem Menschen gegeben! Daß du redlich dich beflissen, was auch werde, Gott mags wissen. Aber die Zeit, die Zeit ging drüber hin. Steigts dir doch auf siedendheiß, jedesmal, wenn du ihrer gedenkst! Zweiundzwanzig Jahre – ist was geschehen darin, haben was vor uns gebracht unterweilen, aber es ist ja beinah schon das Leben, ein Menschenleben. Halte die Zeit! Überwache sie, jede Stunde, jede Minute! Unbeauf {297} sichtigt, entschlüpft sie, dem Eidechslein gleich, glatt und treulos, ein Nixenweib. Heilige jeden Augenblick! Gib ihm Helligkeit, Bedeutung, Gewicht durch Bewußtsein, durch redlich-würdigste Erfüllung! Führe Buch über den Tag, gib Rechenschaft von jedem Gebrauch! Le temps est le seul dont l'avarice soit louable. Da ist die Musik. Hat ihre Gefahren für die Klarheit des Geistes. Aber ein Zaubermittel ist sie, die Zeit zu halten, zu dehnen, ihr eigentümlichste Bedeutendheit zu verleihen. Singt die kleine Frau Der Gott und die Bajadere, sollte sie nicht singen, ist ja beinah ihre eigene Geschichte. Singt sie Kennst du das Land – mir kamen die Thränen und ihr auch, der Lieblich-Hochgeliebten, die ich mit Turban und Schal geschmückt, – sie und ich, wir standen in Thränenglanz unter den Freunden. Sagt sie, der gescheite Schatz, mit der Stimme, mit der sie gesungen: Wie langsam geht doch die Zeit bei Musik, und ein wie vielfaches Geschehen und Erleben drängt sie in einen kurzen Zeitraum zusammen, da uns bei interessiertem Lauschen eine lange Weile verflossen scheint! Was ist Kurzweil und Langweil? Lobte sie weidlich fürs Aperçu und stimmte ihr zu aus der Seele. Sagte: Liebe und Musik, die beiden sind Kurzweil und Ewigkeit – und solchen Unsinn. Las ich den Siebenschläfer, den Totentanz, aber dann: Nur dies Herz, es ist von Dauer; aber dann: Nimmer will ich dich verlieren; aber dann: Herrin, sag, was heißt das Flüstern; aber endlich: So, mit morgenroten Flügeln Riß es mich an deinen Mund. Es wurde spät in der Vollmondnacht. Albert schlief ein, Willemer schlief ein, die Hände über dem Magen gefaltet, der Gute, und wurde gefoppt. Es war ein Uhr, als wir uns trennten. War so munter, daß ich dem Boisserée durchaus noch auf meinem Balcon mit der Kerze den Versuch mit den farbigen Schatten zeigen mußt. Merkte wohl, daß sie uns belauschte auf ihrem Söller. Euch im Vollmond zu begrüßen – Habt ihr heilig angelobet –. Jetzt hätte er auch noch etwas draußen bleiben können. Avanti! –
    {298} »Recht guten Morgen, Ew. Excellenz.«
    »Ja, hm. Guten Morgen. Setz es nur hin. – Sollst auch einen guten Morgen haben, Carl.«
    »Besten Dank, Ew. Excellenz. Bei mir kommt's ja nicht so drauf an. Aber haben Ew. Excellenz wohl geruht?«
    »Passabel, passabel. – Ist das kurios, jetzt hab ich doch wieder gedacht aus alter Gewohnheit, du wärst der Stadelmann, als du hereinkamst, der langjährige Carl, von dem du den Namen geerbt hast. Muß doch wunderlich sein, Carl gerufen zu werden, wenn man eigentlich – das mein' ich eben, wenn man eigentlich Ferdinand heißt.«
    »Dabei fällt mir garnichts mehr auf, Ew. Excellenz. Das ist unsereiner gewohnt. Ich hab auch schon mal Fritz geheißen. Und eine Zeitlang sogar Battista.«
    »Accidente! Nenn ich ein bewegtes Leben. Battista Schreiber? Aber deinen zweiten Namen sollst du dir nicht nehmen lassen, Carl. Machst ihm Ehre, schreibst eine nette, reinliche Hand.«
    »Danke ergebenst, Ew. Excellenz. Steht zur Verfügung wie immer. Wollen Ew. Excellenz vielleicht gleich wieder aus dem Bett heraus was diktieren?«
    »Weiß noch nicht. Laß mich erst einmal trinken. Mach vor allem den Laden auf, daß man sieht, was mit dem Tage los ist. Dem neuen Tag. Ich habe doch nicht verschlafen?«
    »Keine Spur, Ew. Excellenz. Es ist knapp nach sieben.«
    »Also doch nach? Das kommt, weil ich noch etwas gelegen hab und Gedanken gesponnen. – Carl?«
    »Wünschen, Ew. Excellenz?«
    »Haben wir von den Offenbacher Zwiebacken noch einen ausreichenden Vorrat?«
    »Ja, Ew. Excellenz, was meinen Ew. Excellenz mit ›ausreichend‹? Ausreichend wie lange? Für einige Tage reichen sie schon

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