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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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europäischen Gedankens dabei herausgekommen.
    Zudem kann man nicht sagen, daß jemals das Licht soviel Irrsal, Unordnung, Verwirrung, solche Bloßstellung des Unentbehrlich-Respektablen für den boshaften Angriff angerichtet hätte, wie überall und täglich die Liebe tut. Karl Augusts doppelte Familie, die Kinder, – dieser Oken hat den Fürsten {304} innerhalb der Staatsverhältnisse angegriffen, wird er säumen, wenn man ihn reizt und eben nur reizt, die Familienverhältnisse anzugreifen? Muß dem Herrn das unverblümt zu verstehen geben, um ihn zu lehren, daß das Verbot des Blattes, der chirurgische Schnitt, das einzig Raisonable und Heilsame – und nicht der Verweis, die Bedrohung oder gar die Aufregung des Fiskals gegen den katilinarischen Frechdachs, daß man ihn auf dem Wege Rechtens belange, wie der würdige Vorsitzende der Landesdirektion es will. Wollen mit dem Geiste anbinden, die Guten. Sollen die lieber bleiben lassen. Haben keine Ahnung. Der redet ebenso gewandt und unverschämt, wie er drucken läßt, gibt ihnen Repliquen, wenn er sich überall bequemt, der Vorladung zu folgen, – viel besser, als sie je eine zu parieren wissen, und dann haben sie die Wahl, ihn auf die Hauptwache zu setzen oder ihn triumphierend abziehen zu lassen. Ist auch ganz unschicklich und unleidlich, einen Schriftsteller herunterzuputzen wie einen Schulknaben. Dem Staate hilfts nichts und der Kultur schadets. Das ist ein Mann von Kopf, von Verdienst; wenn er außerdem den Staat untergräbt, muß man ihm das Instrument dazu nehmen, punktum, aber ihn nicht bedrohen, daß er in sich gehe und sich in Zukunft bescheidener halte. Gebt doch einem Mohren bei Strafe auf, daß er sich weiß wasche! Wo soll denn die Beschränkung, die Bescheidenheit herkommen, wo doch die Verwogenheit und Frechheit ihrer Natur nach unbedingt? Treibt ers nicht einfach fort wie bisher, so wirft er sich auf die Ironie, und vor der steht ihr vollends hilflos. Ihr kennt die Auswege des Geistes nicht. Zwingt ihn mit halben Maßnahmen zu einer Verfeinerung, die nur ihm zuträglich und nicht euch. Wäre einer Behörde gerad anständig, hinter seinen Finten herzulaufen, wenn er sich in Scharaden und Logogryphen ergeht, und den Oedipus zu machen zu solcher Sphinx! Würde mich für sie in Grund und Boden schämen.
    {305} Und die fiskalische Klage! Wollen ihn vor das Sanhedrin ziehen, – aus welcher causa? Hochverrat, sagen sie. Wo in aller Welt ist hier Hochverrat? Kann man Verrat heißen, was Einer in aller bürgerlichen Oeffentlichkeit verübt? Schafft doch Ordnung in eueren Köpfen, ehe ihrs im Namen der Ordnung aufnehmt mit einem geistreichen Destrukteur! Der druckt euch die Klage mit Noten ab und deponiert, er wolle alles haarklein als wahr erweisen, was er geschrieben, da denn wegen Aussage der Wahrheit keiner bestraft werden könne. Und wo ist das Gericht, dem ihr in dieser gespaltenen Zeit euch getrauen könnt, die Sache zu unterwerfen? Sitzen nicht in Fakultäten und Dikasterien Leute, von demselben revolutionären Geiste belebt wie der Sünder, und wollt ihrs erleben, daß er freigesprochen und gar noch belobt aus dem Saale geht? Wär noch schöner, daß ein souveräner Fürst innerste Fragen einem zeiterschütterten Gerichtshof sollte zur Entscheidung vorlegen! Nimmermehr ists eine Rechtssache und darf es nicht werden. Polizeilich, unter der Hand und ohne Aufregung der Oeffentlichkeit ist zu handeln. Man ignoriere den Herausgeber ganz und gar, man halte sich an den Drucker und verbiete dem bei persönlicher Haftung den Druck des Blattes. Still durchgreifende Ausmerzung des Übels – und keine Rache. Sie sprechen wirklich von Selbstrache und fühlen das Schreckliche nicht eines solchen Bekenntnisses! Wollt ihr in falschem Ordnungsdienst die Greuel dieser Tage vermehren und die Roheit einladen, sich ein Fest zu machen? Wer steht euch dafür, daß nicht die gereizte Stupidität einen Mann, der immer verdient, in der Wissenschaft eine glänzende Rolle zu spielen, mit Hetzpeitschen lederweich traktiert und gräßlichst mißhandelt? Da sei Gott vor und mein lebhaft beweglich Gutachten! »Bist du's, Carl?«
    »Bin's, Ew. Excellenz.«
    »Ew. Königlichen Hoheit gnädigste Befehle so schnell und {306} genau, als in meinen Kräften steht, auszuführen, habe ich jederzeit für meine erste Pflicht –«
    »Etwas langsamer vielleicht, wenn man bitten darf, Ew. Excellenz!«
    »Mach, du Thranfunzel, und abbrevier' wie du kannst, sonst ruf' ich den

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