Lotterie der Liebe
Los gehört mir nicht, und auch nicht Richard. Die Dienstboten spielen nicht. Ich nehme auch nicht an, dass du ein Lotterielos erworben hattest.”
“Nein.” Lady Bainbridge sank etwas in sich zusammen. “Wenn ich jedoch gewusst hätte, dass ich dreißigtausend Pfund gewinnen würde, hätte ich mir selbstverständlich eins gekauft.”
Amy seufzte ungeduldig. “Wir kommen vom Thema ab, Mama. Das Los muss einem von Richards Bekannten gehören. Wir müssen es zurückgeben.”
“Oh nein.” Lady Bainbridge stöhnte leise auf. “Das ganze Geld. Ich könnte es nicht ertragen.”
Richard hatte den Kopf zwischen den Händen gehalten. Er schaute auf, und aus seinen Augen sprach Hoffnung. “Das Los kann weder von Albert noch von Humphrey sein, weil beide heute Vormittag mit mir im ‘Kakaobaum’ waren und die Lotterieziehung nicht erwähnt haben. Wem es dann gehört, Fleet oder Tallant, weiß ich nicht. Ich könnte sie fragen.” Bei der Vorstellung sah er sehr unglücklich aus.
“Tallant hat Amy vom Rathaus hergefahren. Seine Gnaden hat Lady Amanda gebracht”, sagte Lady Bainbridge eifrig. “Bestimmt hätte einer von ihnen etwas gesagt, wenn er es vorgestern hier verloren hätte.”
“Bestimmt.” Richard stand auf und reckte sich. “Also müssen wir die Sache nicht weiter verfolgen.”
Zornig schaute Amy ihn und die Mutter an. “Ehrlich, ich kann nicht glauben, was ich höre! Ihr beide denkt, wir könnten einfach vergessen, dass das Geld jemand anderem zusteht?”
Richard errötete, und Lady Bainbridge setzte eine trotzige Miene auf.
“Wenn entweder Tallant oder Fleet an deiner Stelle gewesen wären und das Geld gewonnen hätten, würde derjenige es für sich behalten”, wandte Richard hitzig ein. “Sie müssen nicht erfahren, dass du das Los gefunden hast. Außerdem sind beide reich genug und brauchen den Gewinn längst nicht so dringend wie wir.”
“Oh ja”, sagte Lady Bainbridge rasch. “Ich bin sicher, Amy, meine Liebste, dass das stimmt. Wir haben es viel mehr verdient.”
Amy schüttelte den Kopf. “Das ist unmoralisch, Mutter.”
“Glücksspiel ist das auch”, erwiderte Richard grinsend. “Aber du bist diejenige, Schwesterchen, die das Gewinnlos hat.”
“Ich war bei der Ziehung, um dich zu finden”, entgegnete Amy gereizt. Sie war mit ihrer Geduld am Ende. “Ich dachte, das Geld gehöre dir.”
“Dann gib mir das Los, wenn es dein Gewissen beruhigt.” Richard griff nach Amys Ridikül.
“Oh nein! Lass das!” Amy hielt es fest. “Ich werde es niemandem außer Mr. Churchward aushändigen und ihn bitten, das Geld in Verwahrung zu nehmen, bis ich den eigentlichen Gewinner herausgefunden habe. Nun werde ich mich hinlegen. Mir tut der Kopf weh, und ich muss überlegen, was zu tun ist.”
“Diese ganze Aufregung ist ermüdend”, stimmte Lady Bainbridge zu. Sie tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit ihrem Sohn. “Ich bin sicher, Amy, meine Liebe, wenn du dich ausgeruht hast, wirst du sehen, dass es fast unmöglich ist, den Eigentümer des Loses herauszubekommen. Würdest du einen Mann fragen, ob er eins bei uns verloren hat, antwortet er bestimmt mit Ja, schon aus reiner Neugier. Am Ende würdest du es dann einem Betrüger aushändigen, der noch dazu ein Spieler und ein Tunichtgut ist.”
“In diesem Fall kannst du es gleich mir geben, Schwesterchen”, sagte Richard spöttisch, während er ihr die Tür öffnete. “Die Beschreibung trifft voll und ganz auf mich zu.”
Nicht das Geräusch einer ins Zimmer huschenden Person, die das Ridikül stehlen wollte, ließ Amy in der Nacht erwachen, sondern ein ziemlich lauter Knall auf der Straße. Danach hörte sie die Haustür aufgehen, gedämpfte Stimmen und Schleifgeräusche, als würde jemand über den Fußboden gezogen. Sie verließ das Bett, zündete eine Kerze an und ging leise mit dem Leuchter zum Treppenpodest. Im Entree sah sie Richard auf dem Fußboden sitzen, den Kopf an den untersten Geländerpfosten gelehnt. Sein Gesicht war wächsern und sah beinahe grün aus. Sein Kammerdiener hockte neben ihm, und der Earl of Tallant machte soeben die Eingangstür zu.
“Allein schaffen Sie es nie, ihn nach oben zu bringen”, hörte Amy Seine Lordschaft sagen. “Ich hatte die größte Mühe, ihn in die Kutsche zu befördern. Ich werde Ihnen helfen.”
“Oh!” Amy hatte mit der Hand gezuckt. Etwas Wachs war ihr auf die Finger getropft. Die Männer im Vestibül schauten auf und sahen sie auf dem Treppenabsatz stehen.
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