Lotterie der Liebe
dir geflirtet?”
“Oh ja, natürlich!” Amanda kicherte. “Das war ein Teil des Vergnügens auf der Fahrt.”
“Ich kann nicht flirten”, äußerte Amy etwas bedauernd, während sie die Pelisse ablegte und Amanda aus dem Mantel half. “Ich weiß nicht, wie man das macht. Ich nehme an, dafür bin ich zu schüchtern.”
Nachdenklich schaute Amanda sie an. “Ich räume ein, dass du nach außen hin immer sehr reserviert wirkst, Amy, zumindest, was Männer betrifft, aber ich würde nicht sagen, dass du schüchtern bist. Du bist sehr schlagfertig, wenn du das sein willst. Außerdem solltest du daran denken, wie sehr deine Mutter und dein Bruder sich seit dem Tod deines Vaters darauf verlassen haben, dass du alles in die Hand nimmst. Ich meine, darauf kannst du stolz sein.”
Amy war verlegen. “Du bist sehr freundlich, Amanda. Das warst du schon in unserer Schulzeit. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass ich nach meinem gesellschaftlichen Debüt keinen Erfolg hatte und auch nicht die Mittel habe, um Männer für mich zu interessieren. Ich bin sowieso nicht sicher, ob ich das möchte.”
Amanda lächelte. “Wenn du flirten lernen willst, dann kann ich dir das beibringen.”
“Nein, danke.” Amy blickte einen Moment lang auf ihr im Wandspiegel sichtbares Ebenbild und ihr braunes Kleid. “Nein, ich möchte nicht. Mein Äußeres ist nicht dafür geeignet.”
“Das ist nur eine Frage der Garderobe und der Präsentation. Du hast einen guten Geschmack, Amy. In neuen Sachen wirst du umwerfend aussehen. Jetzt, wo du zu einem Vermögen gekommen bist, ist das kein Hindernis.”
Beunruhigt umklammerte Amy das Ridikül. Der Augenblick war gekommen, der Freundin die Wahrheit über den Lotteriegewinn zu sagen, ehe es noch mehr Missverständnisse gab und Amy sich ein weiteres Mal versucht fühlte, das Geld für sich zu behalten.
“Amanda …”, begann sie.
Die Wohnzimmertür ging auf. “Lady Bainbridge.” Amanda ging auf Amys Mutter zu. “Wie reizend, Sie wiederzusehen, Madam.” Ehe Amy ihr mit einer Geste Schweigen gebieten konnte, platzte sie heraus: “Sie werden die wundervolle Neuigkeit nicht glauben, aber Ihre Tochter hat in der Lotterie gewonnen.”
5. KAPITEL
A m Spätnachmittag saßen Amy, ihre Mutter und Amanda zur Feier des Ereignisses im Wohnzimmer beim Tee. Lady Bainbridge hatte darauf bestanden, den Anlass zu feiern, sogar dann noch, nachdem es Amy endlich gelungen war, sie und ihre Freundin dazu zu bringen, so lange zu schweigen, damit sie erklären konnte, dass das Los Richard gehörte. Beide Frauen hatten einen Moment lang sehr enttäuscht ausgesehen. Dann hatte die Mutter die Meinung geäußert, das spiele keine Rolle, und sich sogleich dem faszinierenden Thema zugewandt, was man mit dem Geld anfangen könne.
“Ich bin nicht sicher, ob es anständig ist, in der Lotterie zu gewinnen”, sagte sie nachdenklich. “Wir müssen sicherstellen, dass niemand es erfährt.”
“Nein, es ist ganz und gar unanständig”, stimmte Amanda lachend zu. “Sie müssen jedoch zugeben, Lady Bainbridge, dass es äußerst aufregend ist, dreißigtausend Pfund zu haben.”
Lady Bainbridge nickte lebhaft. “Ja, natürlich. Es ist natürlich unfein, besonders für eine Frau, Geld zu gewinnen. Mehr noch, es ist skandalös. Und man wird auch nicht gesellschaftlich akzeptabel dadurch. In Amys Fall ist es jedoch unwichtig. Wir werden einfach verbreiten, sie hätte ein Vermögen geerbt. Niemand muss wissen, woher das Vermögen wirklich stammt.”
“Ich dachte, du hättest begriffen, Mama. Wir können nichts von dem Gewinn ausgeben. Das Los muss Richard gehören. Ich habe es nicht gekauft, sondern im Empfangssalon gefunden.”
“Ich erinnere mich nicht, dass dein Bruder irgendetwas dergleichen erwähnt hat, mein Schatz. Ich wette zehn zu eins, du wirst feststellen, dass es nicht seins ist. Vielleicht hat der Wind es von der Straße hereingeweht.”
“Oder ein Vogel hat es durch den Schornstein fallen gelassen”, warf Amanda eifrig ein.
Misstrauisch schaute Amy sie und die Mutter an, und dann fiel bei ihr der Groschen. “Oh, ich verstehe. Ihr wollt nicht, dass Richard das Geld bekommt. Mama, wie kannst du nur?”
“Ich weiß, es ist schrecklich unanständig, mein Schatz, aber dein Bruder hat ein eigenes Einkommen, während du nichts besitzt. Und außerdem würde er das Vermögen nur verspielen.”
Da dies genau das war, was Amy von Anfang an glaubte, konnte sie kaum etwas dagegen sagen. Sie verzog
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