Lotterie der Liebe
das Gesicht. “Das weiß ich, Mama, aber wir können nicht so tun, als würde das Los mir gehören.”
“Oh, warum nicht?” Lady Bainbridge sah verstört aus. “Du könntest behaupten, du hättest es auf der Straße oder auf der Haustreppe gefunden. Jede Ausrede wäre recht.”
“Ich bin ebenso wie du darüber besorgt, Mama, dass Richard das ganze Geld verspielen wird …”
“Warum willst du es ihm dann überlassen?” Lady Bainbridge rang die Hände. “Oh, Amy! Wir könnten sehr viel bequemer leben, das Haus neu einrichten und mehr Kerzen kaufen. Musst du so pedantisch sein? Warum gibst du Richard nicht die Hälfte ab, wenn das Gewissen dich so plagt? Selbst fünfzehntausend Pfund sind ein nettes Sümmchen.”
“Machen Sie zwanzigtausend daraus”, schlug Amanda vor. “Auf diese Weise hätte Amy die Möglichkeit, eine vorteilhafte Partie zu machen.”
“Halt, halt!”, rief Amy aus. “Ich habe nicht den Wunsch zu heiraten und ganz gewiss keinen Mann, der nur an meiner Mitgift interessiert ist.”
“Dreißigtausend Pfund zuliebe kann ein Mann sich sehr umgänglich geben”, warf Lady Bainbridge ein.
Amy furchte die Stirn. “Ich will nicht, dass ein Mann sich meines Geldes wegen verstellt. Ich möchte, dass er so ist, wie er ist. Oh, das ist lächerlich. Ich will nicht in der Gesellschaft verkehren. Ich will nicht heiraten. Die ganze Sache ist ohnehin rein hypothetisch, weil ich es nicht gewonnen habe.”
“Meine liebe Amy”, sagte ihre Mutter in einem Ton, als spräche sie zu einem Einfaltspinsel. “Du erwartest doch wohl nicht, dass wir weiterhin hier leben, nachdem wir jetzt zu einem Vermögen gekommen sind.”
“Natürlich erwarte ich das! Selbst wenn es mir gehörte, hätte ich nicht den Wunsch, in der Gesellschaft zu verkehren.”
Amanda und ihre Mutter tauschten einen Blick. “Mein Schatz”, sagte Lady Bainbridge bedächtig, “ich glaube, du missverstehst unsere Lage. Wir leben nicht so zurückgezogen, weil wir das so wollen. Wir tun es, weil es billiger ist.”
“Ja, Mama. Das begreife ich, aber ich ziehe diese Art des Lebens vor. Bälle und andere Lustbarkeiten üben keinen Reiz auf mich aus.”
Lady Bainbridge blinzelte. “Wie kannst du das wissen, mein Schatz, wenn du nur eine Saison hier zugebracht hast, die noch dazu vom Tod deines Vaters so tragisch überschattet wurde? Du wirst feststellen, dass die Leute sich ganz anders benehmen, wenn man als Erbin umworben wird.”
Amanda nickte heftig. “Oh ja, Amy! Deine Mutter hat recht.”
Amy kam sich wie in Treibsand vor. Sie holte Luft, um weiter zu argumentieren, doch ehe sie etwas äußern konnte, ging die Tür auf, und der Bruder betrat die Stube. Er beugte sich zur Mutter herunter und gab ihr pflichtschuldigst einen Kuss auf die Wange. Dann richtete er sich auf, grinste Amy an und verneigte sich formvollendet und mit bewunderndem Blick vor Lady Amanda.
“Lady Amanda, Ihr Diener, Madam. Mama, kann ich eine Tasse Tee haben?”
“Natürlich, mein Bester.” Lady Bainbridge läutete. “Du wirst es nicht glauben, Richard. Ein höchst unerwarteter Glücksfall …”
“Bitte, Mama!”, sagte Amy rasch, ehe die Mutter sie, sich selbst und die Freundin in ein Lügengespinst verstricken konnte. “Hattest du für die heutige Lotterie ein Los gekauft, Richard?”
Er sah verwirrt aus. “Wieso willst du das wissen, Amy? Nein, das habe ich nicht getan. Ich wollte eins erstehen, bin jedoch nicht dazu gekommen.” Er nahm sich einen Schokoladenkeks und biss hinein. “Köstlich! Feiern wir etwas?”
“Ja!” Lady Bainbridge nutzte den Augenblick. “Deine Schwester, Richard, hat dreißigtausend Pfund in der Lotterie gewonnen. Ist das nicht wunderbar? Wir haben Pläne geschmiedet.”
“Moment mal, Mama”, äußerte Amy verzweifelt und sah dann den Bruder an. “Bist du sicher, Richard, dass du kein Los erworben hast?”
“Natürlich! Aber du … dass du es insgeheim tust! Dazu kann ich dir nur gratulieren!”
Amy errötete. “Oh, aber ich habe mir nicht …”
Lady Bainbridge räusperte sich bedeutungsvoll. “Sie will sagen, dass sie nicht damit gerechnet hat, etwas zu gewinnen.”
“Mama!” Erbost schaute Amy sie an.
“Ich sollte gehen”, sagte Amanda und stand widerwillig auf. “Ich bin sicher, Sie haben hunderttausend Sachen zu besprechen.” Sie drückte Amy einen Kuss auf die Wange. “Du hast keine Ahnung, meine liebe Amy, wie sehr ich dich um dein Glück beneide. Ich hoffe, wir sehen uns bald
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