Lotterie der Liebe
Gesellschaft zu genießen. Wider Willen war Jonathan irritiert. Offenbar war es Zeit für ihn, den Ball zu verlassen und etwas anderes zu unternehmen. Er war gelangweilt und schlechter Laune.
Er war nicht sicher, was ihn dazu gebracht hatte zu leugnen, dass er der Eigentümer des Lotterieloses war. Als Amy die Sprache darauf gebracht hatte, war er darüber erleichtert gewesen, dass seine anfänglichen Zweifel an ihrer Ehrlichkeit grundlos gewesen waren. Diese Erkenntnis war so überwältigend gewesen, dass er einige Augenblicke lang nichts geäußert hatte, denn schließlich konnte es ihm gleich sein, ob Amy log oder die Wahrheit sagte. Er hatte weitergeplaudert und war durch ihre Bemühungen, den Eigentümer des Loses zu finden, neugierig geworden. Ihre Annahme, er hätte wie alle anderen Leute das Geld für sich behalten, war nicht gerade schmeichelhaft gewesen. Andererseits hatte sie keinen Anlass, eine gute Meinung von ihm zu haben. Und es gab ganz gewiss keinen Grund, warum ihm etwas an diesem Umstand liegen sollte.
“Miss Bainbridge ist sehr gefragt.” Der Duke of Fleet war neben seinem Freund stehen geblieben. “Warum bemühst du dich, eine so unansehnliche Person populär zu machen?”
“Ich glaube kaum, dass meine Aufmerksamkeiten ihren Ruf verbessern werden, Sebastian. Das Gegenteil dürfte zutreffen.”
“Warum nötigst du ihr dann deine Gesellschaft auf, wenn du denkst, dass sie dadurch in ein schlechtes Licht gerät?”
Jonathan zuckte mit den Schultern. “Ich wollte mit ihr reden.”
“War es das wert?”
“Ganz entschieden.” Jonathan bemühte sich, die Gereiztheit über dieses Gespräch zu unterdrücken, schaffte das jedoch nur zum Teil. “Miss Bainbridge ist nicht wie andere Frauen. Das ist gut, denn Mittelmaß langweilt mich.”
Sebastian hob eine Braue. “Sorgst du dich nicht um die Folgen für die junge Dame?”
Jonathan zuckte wieder mit den Schultern. “Es schadet keiner Frau, mit mir in einem überfüllten Ballsaal zu tanzen, und jede Anstandsdame, die anderer Meinung ist, hat eine viel zu blühende Fantasie.”
“Vorausgesetzt, du setzt Miss Bainbridge keine Flausen in den Kopf. Es wäre schade, sie zu enttäuschen. Es sei denn … Hast du gesagt, dein Vater will, dass du heiratest?”
Jonathan lachte, wenngleich der Gedanke sich in seinem Unterbewusstsein erstaunlich festgesetzt hatte. Er versuchte ihn zu verdängen. “Letzte Woche hat mein Vater fortschrittliche Anbaumethoden vorgeschlagen. Ich bin froh, sagen zu können, dass seine Ideen mir gleichgültig sind.”
Seine Gnaden schüttelte den Kopf. “Du bist kalt wie ein Fisch, Jonathan. Willst du dich von einer Dirne aufwärmen lassen?”
“Nein, heute Abend nicht. Ich ziehe eine Flasche Cognac und eine Partie Hazard bei White’s vor.”
Sebastian nickte. “Ich schließe mich dir an. Das ist amüsanter als der Ball.”
Jonathan warf dem Freund einen spöttischen Blick zu. “Hat Lady Amanda ihren Reiz verloren, Sebastian?”
“Nein, aber sie ist zu verdammt anständig für mich.” Der Duke seufzte. “Eine Witwe, die nicht geneigt ist, sich auf einen Flirt einzulassen. Mein verdammtes Pech!”
Jonathan klopfte ihm auf die Schultern. “Also zu White’s?”
“Warum nicht, falls du nicht den Wunsch hast, noch ein Mal mit der unscheinbaren Miss Bainbridge zu tanzen.”
Jonathan hatte sich bereits abgewandt. Er blieb stehen, weil er fand, dass er diese Bemerkung nicht durchgehen lassen könne. Er war so verärgert, dass er erst tief durchatmen musste, ehe er etwas sagte. Sebastian hatte ins Schwarze getroffen. Zum Teufel mit ihm!
“Ich habe nicht im Geringsten den Wunsch, wieder mit Miss Bainbridge zu tanzen”, erwiderte er nach einem Moment kühl. “Aber als jemand, der zumindest dem Titel nach ein Gentleman ist, muss ich dir sagen, Sebastian, dass Miss Bainbridge keineswegs unscheinbar ist.”
Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte davon. Seine Gnaden schaute ihm hinterher und lächelte zufrieden.
“Endlich ein Ergebnis”, murmelte er. “Jetzt wird es interessant.”
8. KAPITEL
D ie neue Kutsche der Bainbridges hielt vor Mrs. Wrens Haustür. Amanda hatte Amy erzählt, Mrs. Wren sei eine ehrbare Witwe, die wunderbare Gesellschaften veranstalte. Amy befand sich jedoch noch nicht lange im Haus, ehe sie begriff, dass die Gesellschaften der Dame nicht von der Art waren, an denen Debütantinnen teilnahmen. Die Räume waren voller Leute, die laut und überraschend freizügig redeten. Es
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