Lotterie der Liebe
befremdet über die Unschicklichkeit des Ansinnens. “Ich sollte dich hier nicht zurücklassen, Amy.”
“Es dauert nur einen Moment”, erwiderte sie. Ihr ständiger Verehrer hatte sich eindeutig dazu aufgeschwungen, sich wie ein älterer Bruder zu benehmen. In dieser Rolle gefiel er ihr besser, aber sie wollte nicht, dass er ausgerechnet jetzt ein beschützerisches _Interesse an ihr zeigte. Sie wandte sich dem Earl zu und ließ _Mr. Hallam verblüfft und offenen Mundes stehen. “Würden Sie bitte einen kleinen Spaziergang mit mir machen, Lord Tallant?”
“Mit dem größten Vergnügen, Miss Bainbridge.” Jonathan schloss sich ihr an und warf ihr einen fragenden Blick zu. “Sie zeigen sich von einer überraschenden Seite, Miss Bainbridge. Es ist äußerst ungewöhnlich, mich in dieser Weise um meine Gesellschaft zu bitten.”
Sein Arm streifte ihren. Amy unterdrückte einen Schauer.
“Das weiß ich”, erwiderte sie ein wenig unsicher. “Es mag seltsam erscheinen.”
“Allerdings!”, stimmte Jonathan ruhig zu. “Ganz zu schweigen davon, dass es dreist war und so gar nicht zu dem Bild passt, das ich von Ihnen habe, Miss Bainbridge. Sie sind sich doch bestimmt bewusst, dass die an einen Mann gerichtete Bitte, Sie bei einem kleinen Rundgang durch einen dunklen und leeren Wintergarten zu begleiten, ein schlechtes Licht auf Sie werfen kann, nicht wahr?”
“Das hängt ganz von dem betreffenden Gentleman ab.”
“Aller Wahrscheinlichkeit nach.” Jonathan schaute sie an, und Amy sah, dass er lächelte. “Man könnte das als Aufforderung verstehen, Miss Bainbridge.”
“Sie würden diesen falschen Schluss doch nicht ziehen, nicht wahr, Mylord?”
“Darüber haben wir schon gesprochen, Miss Bainbridge. Sie kennen meinen Ruf sehr gut.”
“Ja”, antwortete sie knapp. “Ich bin sicher, nicht in Gefahr zu sein.”
Das stimmte. Obwohl er als Frauenheld galt und trotz der Tatsache, dass sie mit ihm allein war, hatte sie das höchst seltsame Gefühl, man verstehe sich. Es war merkwürdig, wie man zu dieser Beziehung gelangt war, und vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, aber sie fühlte sich bei ihm sicher.
“Also, was wollten Sie wissen?”
Sie räusperte sich. “Ich habe schon mehreren Herren dieselbe Frage gestellt, auch Mr. Hallam …”
“Wie interessant!” Jonathan wandte sich Amy zu und ergriff ihre Hände. Seine waren warm. “Werden Sie sich genauso verhalten wie in dem Gespräch mit ihm?”
Amy entzog ihm ihre Finger.
“Natürlich nicht! Wie absurd! Mr. Hallam hat meine Hände gehalten, weil …” Verärgert hielt sie inne. Es ging den Earl nichts an, worüber sie mit Albert geredet hatte. “Nun, das ist hier nicht von Bedeutung.”
“Er hat Ihre Hände gehalten, weil er Ihnen einen Heiratsantrag gemacht hat”, äußerte Jonathan. Der spöttische Unterton, der in seinen Worten hörbar war, verstärkte noch Amys Verärgerung. “Es tut mir leid, dass ich Sie in einem so heiklen Augenblick gestört habe. Ich hoffe, ich habe Ihnen nichts verpatzt.”
“Natürlich nicht! Mr. Hallam offenbart sich mir in regelmäßigen Abständen. Ich befürchte, es ist ihm zur Gewohnheit geworden. Aber das geht Sie nichts an, Sir.”
“Nein, aber befriedigen Sie meine Neugier doch bitte. Haben Sie seinen Antrag abgelehnt?”
Amy war froh, dass Seine Lordschaft ihr Erröten in der Dunkelheit nicht sehen konnte. “Sie sind impertinent, Sir!”
“Ja, das bin ich. Also, haben Sie abgelehnt?”
“Ja, in der Tat. Ich liebe Mr. Hallam nicht.”
Einen Moment lang herrschte Stille. “Ich nehme an, Sie brauchen die große Liebe, um zur Ehe bewogen zu werden, oder zumindest das Gefühl, sie gefunden zu haben?” Wieder klang der Earl ein wenig spöttisch. “Sie enttäuschen mich, Miss Bainbridge”, fuhr er fort. “Die meisten jungen Damen sind ermüdend sentimental. Ich dachte, Sie seien anders.”
“Ich erwarte ganz gewiss, mehr als nur Sympathie für den Mann zu empfinden, den ich heirate”, erwiderte sie scharf. “Es mag sein, dass Sie diese Einstellung albern finden. Ich glaube jedoch, dass Sie die Situation falsch einschätzen, Sir. Wenigstens die Hälfte aller Frauen sind gewillt, des Geldes und der gesellschaftlichen Stellung wegen zu heiraten.”
Jonathan lachte wieder, dieses Mal ehrlich amüsiert. “Sie haben scharfe Krallen! Aber ich bin froh, dass Sie das sagen, Miss Bainbridge. Es lässt mich hoffen, dass es eine Frau gibt, die bereit ist, meine Fehler zu übersehen
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