Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Herrin. Als sie an Gideon und Esther vorbeikamen, bemerkte die Dame:
»Ich hoffe nur, daß die Schiffe schönes, zartes Leinen von Irland mitgebracht haben.«
Ihre Stimme klangt sanft, und sie sah mit dem blonden Haar lieblich und schön aus. Aber Gideon kümmerte sich wenig um sie. Mit kaltem Zorn betrachtete er ihren Mann, der einen hohen Seidenhut, ein feingefältetes Leinenhemd und lange enganliegende Hosen trug. Das vornehme junge Paar traf mit Freunden zusammen, und die Dame hob die Hand, damit die anderen Herren sie küssen sollten. Sie kaufte an einem Stande dann etwas und reichte das Paket ihrer Dienerin.
Plötzlich wandte Gideon sich um. »Esther.«
»Ja?«
»Siehst du diesen hochnäsigen Kerl, der dort Leder kauft? Seine Frau ist auch dabei – es ist die in dem gelben Seidenkleid. Eine Schwarze hält den Sonnenschirm über sie.«
»Ja, ich sehe sie – aber was ist denn mit ihnen?«
»Weißt du, wer das ist?«
»Sind das nicht die Sheramys von Silberwald?«
»Ja, und was sagst du, wenn ich dir erzähle, daß dieser hochnäsige, herausgeputzte Mensch mein Bruder ist?«
»Was?« Sie sah ihn ungläubig an.
»Ist es nicht sonderbar? Der stolziert hier in einem hohen Hut herum, hat mehr Neger, als er zählen kann, und kauft seiner Frau so viel schöne Sachen, daß man ein Schiff zum Sinken damit beladen kann. Ist es nicht sonderbar? Man könnte einfach lachen!«
»Ach, laß mich jetzt in Ruhe, damit ich meine Früchte verkaufen kann, und fange nicht an, mir Märchen zu erzählen«, erwiderte Esther, die nüchtern und praktisch dachte.
Gideon sagte, sie solle sich auf einer Kiste in der Nähe ausruhen, nahm den Korb und bot die Früchte an. Als er schließlich alles verkauft hatte, kam er zurück und gab ihr das Geld. Es war schon spät geworden, und die Menschen, die sich an den Ständen angesammelt hatten, gingen nach Hause.
Gideon und Esther wanderten Arm in Arm nach dem Park, der oberhalb der Werften lag, und er erzählte ihr, wie er mit Roger Sheramy verwandt war.
»Du lieber Himmel!« rief Esther verwundert. »Aber Gideon, wie kommt es dann, daß er sich überhaupt nicht um dich kümmert?«
»Ich glaube, der weiß überhaupt nicht, daß ich lebe.«
»Aber wenn du nun nach Silberwald gehst, dich sauber anziehst und ihm sagst, wer du bist?«
»Ach, das hat keinen Zweck! Diese verdammten Neger werfen mich sofort aus dem Hause. Und wenn ich ihn auch sehe und es ihm sage, glaubt er es nicht. Für ihn bin ich nur irgendeine unverschämte Dockratte, die sich obendrein erdreistet, mit ihm verwandt zu sein!«
»Ja, ja. Du wirst wohl recht haben. Aber merkwürdig ist es schon, wenn man das weiß.«
Er zog mit den Zehen Linien in den Staub und machte fünf Striche in einer Reihe.
»Ich muß jetzt aber nach Hause. Es ist Zeit, daß ich das Abendessen mache«, sagte Esther.
Sie verließen den Park. Hinter den Verkaufsständen lagen Kneipen und Gasthäuser. Die Straße wurde eng, und es roch übel. Kleine Kinder spielten und schrien laut, und in den Wohnungen keiften Frauen. Gideon nahm Esthers Arm und führte sie dicht an den Häusern vorbei. Schließlich bogen sie in eine Nebengasse ab. Als sie sich Esthers Wohnung näherten, schrak das Mädchen zurück und drückte sich an ihn.
»Ach, mein Gott, Gideon, höre doch, was da drinnen vorgeht!«
»Ein paar Betrunkene streiten sich. Hab keine Angst, ich bringe dich sicher nach Hause.«
Sie klammerte sich an seinen Arm. »Es hört sich aber so an – das muß mein Vater sein! Wenn der wieder zu Hause ist –«
Bevor er etwas sagen konnte, riß sie sich von ihm los und stieß die Tür auf. Er folgte ihr, und bei dem Schein des flackernden Herdfeuers sah er, daß Esthers Mutter hinter einem Stuhl kauerte, den sie wie ein Schutzschild vor sich hielt. Sie suchte ihren Mann zu beruhigen, der wütend im Zimmer herumtobte und mit seinem Holzbein aufstampfte. In dem Raum roch es nach billigem, schlechtem Schnaps. Die Kleider des Mannes waren schmutzig und filzig, und auf seinem Hemd waren Spuren von Tabak zu sehen.
»Wo ist Esther?« brüllte er. »Ich muß Geld haben! Dieses unverschämte Frauenzimmer! Ich breche ihr alle Knochen im Leib –«
Als Gideon auf ihn zusprang, schrie Esther laut auf vor Furcht. »Bitte, geh fort und laß uns allein! Er schlägt dich noch tot mit seinem Holzbein!«
Der Mann raste in seiner Trunkenheit. Er drehte sich schnell herum, stieß mit dem Holzbein nach Gideon und traf ihn am Knie. Als Gideon niederstürzte,
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