Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
aufgeräumt, Wäsche und Windeln hingen an Leinen, um zu trocknen, und überall herrschte Unordnung. Esther war nicht nachlässig geworden, aber die Kleine krabbelte im Zimmer umher und brachte alles durcheinander, und Esther konnte nicht immer wieder alles an die rechte Stelle bringen, dabei kochen und obendrein noch waschen. Sie machte ihm keine Vorwürfe, auch dann nicht, als sie einen neuen Waschzuber brauchte und er ihn nicht kaufen konnte. Er hatte es satt gehabt, immer zu Hause zu bleiben und das Kindergeschrei zu hören, und so war er zu den Hahnenkämpfen gegangen und hatte sein Geld verwettet. Als er ihr sagte, daß es ihm leid täte, sah sie ihn nur sonderbar an und erwiderte: »Mach dir keine Sorgen darüber! Ich weiß ja, wie es ist.«
Aber in der Nacht wachte er auf, und sie weinte. Er dachte, das Kind wäre wieder krank. Aber die kleine Gardy lag an der anderen Seite von Esther und schlief so ruhig, als ob sie nur die Posaune des Jüngsten Gerichts aufwecken könnte.
Gideon legte den Arm um seine Frau. »Rege dich nicht so auf, liebes Kind. Ich weiß, es ist schwer für dich, in dem alten schlechten Topf zu waschen. Aber ich werde dir einen neuen kaufen.«
»Ach, es ist nicht der Zuber«, sagte Esther. »Es ist – es ist – alles zusammen. Ich wußte ja vorher, daß es so kommen würde. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wärst du froh, wenn du mich niemals gesehen hättest.«
»Ach, so darfst du nicht reden. Du weißt, daß ich dich liebhabe. Schlafe nur ein, dann wirst du dich schon wieder wohler fühlen.«
»Nein.« Sie setzte sich auf. »Ich werde versuchen zu schlafen, aber ich werde nicht wieder glücklich sein. Ich will nicht mehr weinen, aber das macht es auch nicht besser.«
»Was ist denn nur mit dir?« rief er. »Du läßt mich die Nacht nicht schlafen, und dann wunderst du dich, wenn ich am Morgen ärgerlich bin!«
»Ich bekomme wieder ein Kind!«
»Um Himmels willen! Und die Kleine ist noch nicht einmal entwöhnt!« Aber dann tat es ihm leid, daß er das gesagt hatte, und er fügte schnell hinzu: »Das macht nichts. Wenn man dich reden hört, muß man ja glauben, du bist nicht verheiratet und mußt dich schämen, ein Kind zu haben.«
»Ach, laß nur!« Esther legte sich wieder nieder.
Als sie am nächsten Morgen aufstanden, kochte sie die Milch für die kleine Gardy und bereitete auch seinen Maisbrei, ohne noch etwas darüber zu sagen. Aber sie hatte einen Blick, als ob sie in eine vierzigjährige düstere Zukunft schaute und sich nicht mehr an dem heutigen Tag freuen könnte.
Bald sah Gideon auch ein, daß sie klüger gewesen war als er, denn in diesem Frühjahr gab es ein besonders starkes Hochwasser. Die Männer, die auf den Docks arbeiteten, fürchteten die Hochwasserjahre wie die Pest. Der Fluß war bis an die Ufer gefüllt, und die Strömung so reißend, daß man die Boote nicht steuern konnte. Deshalb wagten es nur sehr wenige Händler, ihre Waren zu verschiffen. Tagelang bekam Gideon überhaupt keine Arbeit. Esther schleppte sich zu den Verkaufsständen und versuchte, irgendeinen gutmütigen Händler zu finden, der ihr zu dem Reis eine Zwiebel schenkte. Aber die Leute sagten, die Zeiten wären schlecht, und man könnte nicht länger etwas umsonst geben. An manchen Abenden hatten sie überhaupt nichts zu essen.
Er hätte sich ja an Caß, den Mann seiner Schwester Lulie, um Hilfe wenden können, obwohl er das über alles haßte, aber auch Caß erhielt jetzt nur halben Lohn. Mr. Valcour beschäftigte die freien Arbeiter nur die Hälfte Zeit. Als Caß ihn fragte, wie es ihm ginge, warf sich Gideon in die Brust und sagte: »Ach, uns geht es gut.« Er konnte es nicht ertragen, daß andere etwas von seinem Elend und von seiner Not erfuhren. Scham schmerzte ihn mehr als Hunger. Es gab immer einmal eine schwere Zeit, in der man nichts erhoffte, aber es lastete entsetzlich auf einem Mann, wenn er sehen mußte, daß sich seine Frau, die ein Kind erwartete, nur noch mühsam aufrecht hielt und seine kleine Tochter immer schmächtiger wurde.
»Wenn ich an deiner Stelle wäre und gehen könnte«, sagte Esther, »würde ich die Sheramys besuchen und ihnen einmal sagen, wie schlecht es uns geht.«
»Ach, halt den Mund! Die würden doch nichts für uns tun.«
»Aber warum denn nicht?« fragte sie. »Um Himmels willen, sie kaufen doch immer die teuersten Sachen! Ich sehe diese Leute, wie sie in ihren schönbemalten Wagen umherfahren, und ich höre, wie sie schimpfen, daß keine
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