Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
wie zwei. Auf der anderen Seite des Flurs lag das Kinderschlafzimmer mit einem Bett für die Amme und einer Wiege aus geflochtenem Rohr.
»Sieh doch bitte«, sagte Philip zu Judith, als er sie ins Schlafzimmer zurückführte. Über dem Bett hing eine Kordel, die an einer Reihe von Ringen quer über die Decke lief, dann durch die Wand ging und zu einer Klingel in Angeliques Zimmer führte. »So kannst du sie morgens rufen, daß sie dir das Frühstück ans Bett bringen soll, ohne daß du selbst aufzustehen brauchst.«
Judith warf einen Blick zu ihrem Vater hinüber. Er war starr vor Staunen über solchen Luxus.
»Ich habe auch eine Klingel im Wohnzimmer und im Eßzimmer anbringen lassen, damit du nicht soviel umherlaufen mußt, um die Sklaven zu rufen«, fuhr Philip fort.
Er ging zum Speisezimmer voraus. Dort stand ein Tisch, an dem zwanzig bis dreißig Gäste Platz finden konnten. Von der Decke hing ein Fächer aus großen Putenfedern herab.
Außerhalb des Hauptgebäudes stand das Küchenhaus mit einem Herd von drei Meter Länge und vier Kranen für große Töpfe und Kessel.
Judith brachte kein Wort hervor. Am liebsten hätte sie geweint. Ihr Vater trat zu ihr und nahm ihre Hände ernst in die seinen.
»Du mußt Gott den Herrn bitten, dich vor Stolz zu behüten, meine Tochter, wenn du in solchem Überfluß lebst.«
Das Glück war fast zu groß für Judith. Sie sah sich als Herrin dieses prächtigen Hauses, die ihre Sklaven und Diener durch Klingeln herbeirufen konnte und wie eine Königin an der großen Tafel saß. Es war kaum zu glauben, daß sie mit dem Flachboot den Strom heruntergekommen war, in dem kleinen Blockhaus gelebt hatte und nun in diesem wundervollen Haus wohnen sollte. Sie riß ihr Kind aus den Armen der Amme, eilte in das Schlafzimmer und sank vor dem Bett auf die Knie. David war so fein und zart. Philip hatte versprochen, daß ihr Sohn einst der Herr über ein Reich werden sollte, aber selbst in ihren kühnsten Träumen hatte sie sich ein so herrliches Reich nicht vorgestellt. Vergeblich versuchte sie, das Schluchzen zu unterdrücken. Sie betete leise, aber die geflüsterten Worte kamen nur stoßweise hervor.
»Ich bitte dich, Gott, hilf mir, daß ich gut werde – mache mich so gut, daß ich das alles verdiene – die große Küche und die Klingeln für die Diener und das Glas in den Fenstern. Mache aus David einen guten Jungen und laß ihn liebreich sein zu den Armen, die nicht in einem so großen Palast wohnen können.«
Plötzlich sah sie einen kleinen Zug von Ameisen, die über den Zypressenholzfußboden krochen, als ob sie ebensoviel Rechte in diesem Hause hätten wie sie selbst. Sie schauderte zusammen und sprang auf. Eine große Heuschrecke hüpfte aus einer Ecke des Zimmers und glotzte sie mit ihren grünen Augen an. Schnell betete Judith weiter:
»Und bitte, lieber Gott, hilf mir, daß ich Louisiana nicht ein Loch voll Ungeziefer nenne, wenn Philip in der Nähe ist und es hören kann.«
Noch bevor Judith einen Monat in dem neuen Hause wohnte, gab sie dem Sprichwort recht, daß die Herrin einer großen Plantage die erste Sklavin darauf sei.
Sie mußte die Negerinnen beaufsichtigen, die spannen, webten und nähten, sie mußte einen Blumengarten vor dem Hause entwerfen und Essen geben, die in Wirklichkeit festliche Banketts waren. Philip sah gern Gäste im Haus, und der Kreis seiner Freunde war ständig gewachsen. Die einflußreichsten und größten Pflanzer und Geschäftsleute auf den Dalroy-Höhen gehörten jetzt dazu.
Judith hatte mit Angelique neun Haussklavinnen, aber sie wurden niemals mit der Arbeit fertig. Außerdem sprachen die neuen schwarzen Dienerinnen meistens nur das Gumbo-Französisch. Obwohl Judith von Gervaise schon etwas Französisch gelernt hatte, war sie doch dankbar, daß Angelique ihre Wünsche den anderen verdolmetschen konnte. Ohne Angelique wäre es ihr überhaupt unmöglich gewesen, das große Haus zu verwalten. Die wußte wirklich alles. Sie sagte, wie man Lorbeerblätter im Schatten trocknen konnte, um das Okra-Gumbo-Gericht zu würzen; sie verstand, ein harziges Öl aus den Tannen zu gewinnen, das gegen Moskitostiche gut war, sie konnte Judiths Haar über einem Rahmen zu den eleganten modernen Frisuren auftürmen, die fast wie ein kleines Schloß auf einem Berge aussahen. Angelique zeigte ihrer Herrin auch, wo sie Arsenik auf den Fußboden der Veranda streuen mußte, um die Heuschreckenplage zu vermindern. Die Tiere wurden durch die Indigopflanzung
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