Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
in der Nähe des Hauses angelockt. Ebenso war es Angelique, die den Rat gab, alle Bettstellen im Hause zweimal im Jahre auseinanderzunehmen und die Ritzen mit einer Lösung aus Quecksilber und Eiweiß zu bestreichen.
»Warum macht man das?« fragte Judith.
»Das soll gegen Wanzen schützen«, erwiderte Angelique.
»Ach, mein Gott!« rief Judith. Voll Ungeduld fragte sie sich, warum anständige Leute es überhaupt aushielten, in Louisiana zu wohnen. Das Land sah aus wie ein Paradies, war aber in Wirklichkeit nur ein Paradies für Käfer und anderes Ungeziefer. Immerhin strich sie gewissenhaft die Betten mit der Quecksilberlösung ein und achtete auch darauf, daß die Sklaven in ihren Häusern dasselbe taten. Das ordnete sie so häufig an, daß Philip schließlich sagte, sie würde ihn noch arm machen, wenn sie soviel Quecksilber kaufte. Es war sehr teuer. Er fragte sie, ob sie das nicht wüßte. Es mußte von Europa importiert werden, und seit Ausbruch des Amerikanischen Freiheitskrieges waren die Preise dafür schon auf das Dreifache in die Höhe geschnellt.
Judith entgegnete scharf, daß er mehr Geld aufwenden könnte, um das Haus sauber zu halten, wenn er nicht soviel für französische Weine ausgeben würde. Wollte er vielleicht eines Morgens Ungeziefer in der Wiege des kleinen David finden?
Philip fragte dagegen, ob sie ihren Gästen zum Essen nichts anderes als selbstbereiteten Orangenwein anbieten wollte, und fügte hinzu, anständige Leute hätten keine Wanzen.
Sie erwiderte, das käme davon, daß anständige Leute sich Mühe gäben, das Ungeziefer aus dem Hause fernzuhalten.
Darauf rief Philip ungehalten, sie hätte eine fixe Idee und sähe überall Wanzen.
Judith war durch den Wortwechsel in heftige Erregung geraten und sagte ihm ins Gesicht, daß er vielleicht auch eine fixe Idee hätte, wenn er eine Nacht durchgemacht hätte wie sie, in der sie nicht nur die furchtbaren Schmerzen einer Geburt ertragen mußte, sondern obendrein beinahe noch von Ameisen und Kakerlaken aufgefressen worden wäre.
Philip ging hinaus und schlug die Tür zu, daß es knallte.
Empört sah sie ihm nach, aber sie fühlte doch eine gewisse Genugtuung. Das war eine Waffe, die sie immer gegen ihn gebrauchen konnte, und in diesem Augenblick war sie froh darüber.
Aber als sie im Herbst merkte, daß sie wieder ein Kind bekommen sollte, erinnerte sie sich mit Grauen an die erste Geburt und erschrak so heftig, daß sie kaum die Haltung bewahren konnte. Es fiel ihr schwer, nach außen hin mutig zu erscheinen. Philip freute sich darüber, als sie es ihm erzählte, aber sie hielt ihn für herzlos, weil er nicht an die Schmerzen dachte, die sie auszustehen hatte.
»Warum bist du so ärgerlich?« fragte er sie. »Du willst doch nicht dein ganzes Leben lang nur ein einziges kleines Küken versorgen?«
Sie waren in ihrem Zimmer und machten sich zum Abendessen fertig. Judith drehte eine kleine Tabakdose aus Porzellan so heftig, daß sie etwas von dem Inhalt verstreute. Der Wind wehte ihr den Tabak ins Gesicht, so daß sie niesen mußte.
»Du könntest wenigstens sagen, daß es dir leid tut«, entgegnete sie, als sie wieder sprechen konnte.
»Aber ich bin wirklich nicht traurig darüber, Liebling. Es tut mir ja leid, daß es so schmerzhaft und umständlich ist, Kinder zu bekommen, aber es wäre doch entsetzlich, wenn du unfruchtbar wärest.«
»Es ist schon gut«, erwiderte Judith kurz. Sie stülpte den Deckel wieder über die Dose und fügte hinzu, ohne aufzuschauen: »Wenigstens habe ich bei der zweiten Geburt ein Dach über dem Kopf.«
Es folgte eine kleine Pause.
»Ich bin jedesmal dankbar, wenn du aufhörst, darüber zu reden«, sagte Philip dann.
Plötzlich wandte sie sich um und trat zu ihm.
»Ach, Philip, verzeih mir! Ich bin wirklich nicht so schlecht, wenn es auch häßlich klingt, was ich sage.«
»Das weiß ich.« Er lachte ihr zu. »Du bist – laß mich einmal nachrechnen – wie alt bist du eigentlich?«
»Im November werde ich siebzehn.«
»Glaubst du, daß du mit ungefähr zwanzig Jahren gelernt hast, den Mund zu halten?«
Sie nickte ernst. »Ich will es versuchen.«
Danach nahm sie sich fest vor, nicht wieder die Fassung zu verlieren und ruhig zu bleiben, aber es gelang ihr nicht immer. Sie hatte soviel zu tun! Sie mußte sich um ihr Heim kümmern und Wäsche für das zweite Kind beschaffen. Außerdem bemühte sie sich auch noch, den Haushalt in Silberwald zu beaufsichtigen. Sie wußte, daß ihr Vater und
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