Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
beschmutzten. Die Wagen trugen an den Verschlägen und den mit Schmutz bespritzten Türen Wappen und Monogramme. Er liebte es, auf dem Sklavenmarkt den Wirrwarr der vielen Sprachen zu hören, und er ging gerne in die Läden, wo französische Weine, Musselinballen, Wampumstickereien und unbearbeitete Felle aus dem Land der Pelztierjäger im Südwesten ausgestellt waren. Und obwohl er ein Protestant war, gefiel ihm die katholische Kathedrale doch, deren Glocken über die Place d'Armes hinschallten, wenn sie zum Gebet riefen. Alan Durham lachte ihn aus, weil er lieber in den Straßen spazierenging als in der Kneipe saß. Aber Alan verstand nicht, daß allein der Anblick dieser großen Stadt mit ihrem Lärm und ihren Gerüchen Caleb schon trunken machte.
Am dritten Morgen nach seiner Ankunft lehnte Caleb auf der Place d'Armes an einer Dattelpalme und beobachtete den Sonnenaufgang, während Alan, der in der Nacht lustig gezecht hatte, sich noch ausschlief.
Die Boote jenseits des Uferdammes leuchteten in rötlichem Schein, die Glocken der Kathedrale erklangen, und fast glaubte er, daß auch hier draußen auf dem freien Platz Weihrauch in der Luft hinge. Aber wahrscheinlich kam der wunderbare Duft von den großen Blüten eines Magnolienbaumes. Über den Schutzdamm hinweg sah er viele Schiffe aus fremden Ländern, die Indigo holen wollten. Im Licht der aufgehenden Sonne strahlten sie rötlich und golden, und ein Schimmer dieses Glanzes fiel über das Wasser hinweg auf die dunklen Wälder am anderen Ufer.
In der Kathedrale hinter ihm ertönte Musik, und fromme Leute kamen auf dem Wege zur Messe an ihm vorüber; Obstfrauen vom Markt gingen zu Fuß, vornehme Damen und Herren kamen im Wagen oder ließen sich von ihren Sklaven in Sänften tragen. Ein junges Mädchen eilte an ihm vorbei. Ihre weißen Röcke flatterten im Wind, als sie den Uferdamm hinaufstieg.
Bei einem blühenden Zitronenbaum blieb sie stehen und nahm den buntbedruckten Seidenschal ab, den sie um den Kopf getragen hatte. Sie wandte Caleb den Rücken zu, streckte die Arme aus und holte tief Atem. Die Sonnenstrahlen fielen auf die seidenen Fransen des Schals. Ein hoher Kamm hielt das schwarze Haar, und der Wind, der vom Fluß heraufwehte, zeigte über den bauschigen Musselinröcken eine schlanke Taille. Sie breitete den Schal auf das feuchte Gras des Uferdammes und warf sich im Schatten des Zitronenbaumes nieder, so daß sie vor der Sonne geschützt war.
Caleb stieg auch auf die Anhöhe hinauf und ging auf das Mädchen zu.
Wenn er nur zehn Sekunden angehalten hätte, um nachzudenken, würde er es wahrscheinlich nicht getan haben, wie er sich später klarmachte, denn Kreolen rächten sich mit scharfen Rapieren an Männern, die ihre Schwestern und Töchter ansprachen, ohne ihnen vorgestellt zu sein. Aber in dem Augenblick hatte er alles vergessen und sah nur dieses bezaubernde Mädchen unter dem Zitronenbaum.
Erst als sie ihn bemerkte und sich aufsetzte, fiel ihm ein, daß er kein Recht hatte, sie anzusprechen. Zugleich kam ihm zum Bewußtsein, daß er keine Worte kannte, um mit ihr zu reden. Er hatte wohl ein paar französische Brocken aufgeschnappt, die ausreichten, um sich mit den Händlern zu verständigen, aber ihre Mantille deutete darauf hin, daß sie eine Spanierin war. So drückte sich seine Bewunderung nur in seinem Lächeln aus, als er vor ihr stand.
Sie schien sich nicht zu fürchten. Mit einer Hand stützte sie sich auf den Boden, während sie ihn mit ihren dunklen Augen verwirrt und erstaunt betrachtete. Ihre schmalen, schwarzen Augenbrauen liefen über der Nase beinahe zusammen. Die Nase war nicht besonders schön, sondern flach und am Ende ein wenig nach oben gebogen, aber der Mund war entzückend und hatte das warme Rot einer Erdbeere. Und ihre Haut war so zart und rein wie die eines Kindes.
Caleb überraschte sich selbst bei dem Gedanken, wie sonderbar es war, daß die Kreolen ihre Frauen zwar sorgsam bewachten, ihnen aber erlaubten, so tief und aufreizend ausgeschnittene Kleider zu tragen.
»Ich bitte um Verzeihung, Madame«, sagte er, machte aber keine Anstalten, fortzugehen.
Sie sah ihn immer noch verwundert an, aber dann fragte sie zögernd: »Sie – machen – Englisch, Señor?«
»Ja!« rief er erfreut. »Sie sprechen Englisch?« Er setzte sich neben sie in das Gras.
»Nicht soviel gut«, antwortete sie und wich etwas zur Seite. »Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Caleb Sheramy.« Er rückte näher. »Wirklich, ich möchte Sie
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