Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
nicht belästigen – aber Sie sahen so unendlich schön aus – ich konnte nicht anders, ich mußte zu Ihnen sprechen.«
Sie lachte. »Gracias – ich meine – danke.«
»Ach, bitte, darf ich nicht ein paar Minuten hierbleiben und mit Ihnen plaudern? – Ich – ich wohne nämlich nicht hier, und ich kenne in ganz Neuorleans keinen Menschen.«
Sie lachte noch fröhlicher als vorher und betrachtete ihn wohlgefällig.
Caleb war froh, daß er seinen besten schwarzen Rock und ein Jabot trug. »Sie sein so spaßig, Sie Engländer.« Sie sprach mit einem schweren, fremden Akzent, aber ihm erschien es melodisch und herrlich. Wenn sie lachte, zog sie den Mund an der einen Seite zusammen, so daß das Lachen von der anderen Seite zu kommen schien.
»Wir sind in Wirklichkeit gar nicht so spaßig und sonderbar, wenn Sie uns erst näher kennenlernen. Haben Sie schon einmal einen Engländer gekannt?«
»Ja, einige.«
»Ich bin eigentlich kein Engländer, sondern Amerikaner. Ich komme aus Connecticut.«
»Wo sein das?« wollte sie wissen. »Über Ozean?«
»Nein, oben im Norden.«
Sie wandte den kleinen, dunklen Kopf, als ob sie versuchte, Connecticut am Strom zu entdecken. Er bemerkte, daß sie nicht den Fluß hinauf, sondern stromab schaute.
»Nicht in dieser Richtung«, erklärte er. »Im Norden.«
»Aber das sein Norden.« Sie lachte wieder. »Sie machen wie alle Fremden. Sie glauben, wir sein nicht bei Verstand, wenn wir sagen, daß Fluß bei Neuorleans nach verkehrter Richtung fließt. Er drehen sich herum.«
»Was macht er? Sie meinen, daß er rückwärts fließt?«
»Nein – so.« Sie zeichnete mit dem Finger einen Bogen auf die Falten ihres Schals. »Er machen – wie Sie sagen – Biegung.«
»Erzählen Sie mir doch, wie Sie heißen.«
Sie senkte den Blick und spielte mit den Fransen ihres Tuches.
»Dolores Bondio.«
»Sind Sie Spanierin?«
»Ich sein geboren in Kuba.«
»Leben Sie jetzt hier?«
Sie flocht die Seidenfransen ineinander. »Ich leben hier, seitdem meine Mutter und mein Vater tot. Ich wohnen bei meiner Tante Juanita.«
»Ist sie sehr strenge? Würde sie außer sich geraten, wenn sie sähe, daß wir uns unterhalten?«
Dolores schaute auf.
»Sie sein sehr streng«, erwiderte sie vertraulich. »Ich müssen ganze Zeit bei ihr bleiben. Heute morgen – ich sein fortgelaufen. Sie sein in Messe. Sie glaubt, ich auch dort. Aber ich sein fortgeschlüpft. Der Morgen sein so schön, und ich wollen nicht immer zur Kirche gehen wie Nonne.«
Caleb blickte düster drein.
»Gehen die Katholiken jeden Tag zur Kirche?«
»Die meisten frommen Katholiken tun das. Sein Sie katholisch?«
»Nein.«
»Wer sein Sie denn? Erzählen Sie doch auch etwas über sich. Wo liegen denn Con – Con – ich können das Wort nicht aussprechen.«
»Das liegt weit entfernt. Man muß sechs bis acht Monate reisen, bis man hinkommt. Aber jetzt wohne ich nicht mehr dort, sondern in Westflorida.«
»Wo sein das?«
»Das ist Englisch-Louisiana auf dem Ostufer des Flusses oberhalb von Neuorleans. Mein Vater und ich haben eine Plantage dort.«
»Ach!« Sie lächelte und verzog wieder den Mund auf diese merkwürdige Art. »Sein Sie einer von den Engländern, die Land von König bekommen haben?«
Er nickte.
»Warum kommen Sie nach Neuorleans? Sein Sie in diesem neuen amerikanischen Krieg?«
»Nein, ich kam hierher, um Sklaven zu kaufen. Wir haben nicht genug Leute, um das Land zu roden.« Er drehte sich im Grase, stützte sich auf die Ellbogen und betrachtete ihr reizvolles spanisches Gesicht. »Nun erzählen Sie mir von sich weiter.«
Es folgte eine kleine Pause. Dolores hob die Hände mit echt südlicher Lebhaftigkeit.
»Aber ich haben so wenig zu erzählen.« Sie senkte den Blick wieder und schob die Unterlippe leicht vor. Dadurch erhielt ihr Gesicht einen traurigen, fast vorwurfsvollen Ausdruck. »Ich leben eben hier – mit Tante und Kusinen.«
Sie sah so unglücklich aus, daß sie ihm plötzlich leid tat. »Aber sind die denn nicht gut zu Ihnen, Miß Bondio?«
»Sie – ach ja, sie sein ganz nett.« Sie faltete die Finger im Schoß und schaute von ihm fort über den Strom.
Mit einer impulsiven Bewegung legte Caleb seine Hände über die ihren.
Sie erschrak und sprang auf. »Ich müssen gehen«, sagte sie.
»Nein!« rief er. »Noch nicht.«
»Doch. Tante sperren mich ein, wenn sie erfahren, daß ich nicht in Messe war. Lassen Sie mich gehen. Bitte, lassen Sie mich gehen«, bat sie, denn er
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