Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
hielt noch immer ihre Hände fest. »Ich müssen schnell über den Platz zur Kirche, damit ich dort sein, wenn sie mit Beten fertig.«
Er widersprach, aber Dolores zog ihn den Abhang hinunter. Sie hatte eine Hand frei gemacht und den Schal aufgehoben. »Ach, bitte, Señor, ich müssen gehen!«
»Aber warten Sie doch!« Am Fuß des Uferdammes hielt er sie zurück. »Ich möchte Sie doch wiedersehen. Wann kann ich Sie wiedertreffen?«
»Das sein nicht möglich.« Ängstlich sah sie nach der Kathedrale hinüber.
»Aber Sie müssen mir versprechen, daß wir uns wiedersehen. Können Sie denn nicht heimlich von Hause fortgehen – vielleicht heute abend?«
»Ach nein! Ich können nicht. Bitte –«
»Doch, sagen Sie, daß Sie können. Sie gefallen mir so gut – sie können Sie doch nicht die ganze Zeit ins Haus einschließen.«
Dolores suchte jetzt nicht mehr zu entkommen. Sie warf einen Blick auf den Kathedralenturm, dann sah sie Caleb an. »Würden amerikanische Mädchen das tun?« fragte sie furchtsam.
»Oh ja«, versicherte er.
»Bei Sonnenuntergang«, flüsterte sie. »Ich versuchen, ob ich zum Abendgebet kommen können. Unten an den Stufen von Kathedrale. Aber nun lassen Sie mich gehen.«
Sie riß sich von ihm los und eilte quer über den Platz, während sie den Schal über den Kopf zog.
Caleb beobachtete sie, bis sie in dem Schatten hinter der Quelle des heiligen Wassers verschwand.
Schon lange vor Sonnenuntergang wartete er auf sie. Aber es dauerte lange, bis sie kam, und er fürchtete schon, daß ihre Tante sie am Morgen auf dem Abhang beobachtet hätte. Als die letzten Sonnenstrahlen die Türe der Kathedrale aufleuchten ließen, sah er sie aus der Straße kommen, die zwischen der Kathedrale und dem Cabildo-Haus lag, in dem die Regierungsversammlungen stattfanden. Dolores ging langsam und sah sich nach allen Seiten um, als ob sie Angst hätte, daß jemand sie hier sehen könnte, der sie kannte. Sie hielt die schwarze Spitzenmantille so dicht um sich, als ob sie ihr Gesicht verbergen wollte. Hinter ihr kam eine Schwarze in einem rotgestreiften Kleid.
Er eilte ihr entgegen. Sie wandte sich um und sprach auf spanisch zu der Frau, die sie begleitete, worauf diese in der Kirche verschwand. Dolores sah zu Caleb auf. Ihre Augen wurden von der Mantille beschattet.
»Was machen wir jetzt?«
»Können wir nicht zu dem Platz hinübergehen?« Er nahm ihren Arm. Mit der anderen Hand zog sie die Spitzen über Mund und Kinn.
»Nein, nein«, flüsterte sie. »Es sein noch hell – wenn ein Freund meines Onkels mich mit einem Mann allein sehen –« Sie zog ihn unter die Bogen des Cabildo zurück. »Hier können wir uns unterhalten.«
Sie setzten sich auf eine schmiedeeiserne Bank, die neben einem Tor des Gebäudes stand. Die schweren Bogen, die von Säulen getragen wurden, schlossen die Sonnenstrahlen aus und hielten das Licht ab. Dolores ließ den schwarzen Spitzenschleier fallen, und in der Dämmerung sah ihr Gesicht so bleich wie altes Elfenbein aus.
»Concepción – sie setzen sich in Sklavenbank dort drüben und bleiben lange Zeit. Sie sein gut«, flüsterte Dolores und kicherte. »Tante Juanita haben gefragt, warum ich plötzlich so fromm sein. Ich sagen, ich fühlen mich bedrückt wegen meine Sünden.«
Caleb lachte auch ein wenig. Er hielt ihre beiden Hände in den seinen.
»Ich glaube nicht, daß Sie je in Ihrem Leben eine Sünde begangen haben.«
»O doch«, versicherte sie ihm. »Ich haben Neid gehabt wegen meine Kusinen, weil sie gute, schöne Aussteuer haben, und ich haben Aufruhr in meinem Herzen gegen lieben Gott, weil er meinen Vater in den Himmel geholt und mich so arm zurückgelassen haben. Ich haben Aufruhr gegen meinen Onkel, weil er denken, er haben richtigen Mann für mich gefunden –«
»Einen Mann?« Caleb erschrak. »Werden Sie heiraten?«
Dolores nickte. »Ich müssen heiraten oder in Kloster gehen. Sie müssen verstehen, sie haben außer eigenen Töchtern durch mich noch ein Mädchen mehr. Und sie haben selbst zu viele Töchter, um mir eine Aussteuer zu geben. Deshalb haben sie einen Mann gefunden, der mich nehmen, wenn ich nur bescheidene Aussteuer haben – und ich wollen ihn nicht! Er sein alt – er haben drei Frauen begraben, und er haben acht Kinder! Aber mein Onkel sagen, er werden gut zu mir sein, und ich werden Wagen haben. Aber ich –« Ihre Stimme klang, als ob sie ein Schluchzen unterdrückte. »Ich mögen keinen alten Mann heiraten, der drei tote Frauen
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