Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
ist aber keine Antwort auf meine Frage.«
Angelique strich die Strümpfe an Judiths Beinen glatt. »Nun ja – wenn sie spricht, macht sie sich groß, Miß Judith. Sie hätten mir sagen sollen, daß ich Ihre Silberschnallen an den Schuhen putzen mußte.«
»Wenn sie angelaufen sind, ist es jetzt zu spät. Du hast kaum noch Zeit, mein Haar zu ordnen. Ich möchte heute eine sehr hohe Frisur haben. Stecke die Seidenvögel darauf! Aber was meinst du damit, daß sie sich groß macht?«
»Ich möchte nicht über weiße Leute sprechen«, entgegnete Angelique und erhob sich vom Boden.
»Du hast mehr Verstand als die meisten Weißen. Das weißt du auch. Kämme mein Haar über den Rahmen und nimm reichlich Pomade, damit sich die Frisur länger hält. Du denkst wahrscheinlich, daß sie manchmal Geschichten erzählt, die erfunden sind?«
Angelique lachte. »Miß Judith, ich glaube, sie redet nur so, weil Mr. Caleb es gerne hört. Er hält sie für eine wundervolle Frau.«.
»Ja«, sagte Judith niedergeschlagen, »das stimmt.«
Sie beobachtete im Spiegel, wie Angelique ihr Haar hoch kämmte. Dolores trug immer noch die spanischen Kämme an Stelle der seidenen Figuren. Die standen ihr vorzüglich, besonders wenn sie eine echte spanische Mantille, die sie auf dem Markt gefunden hatte, darüber drapierte.
»Sie wollen also die Vögel haben, Miß Judith?« fragte Angelique. »Nicht die Kriegsschiffe?«
»Alle tragen in diesen Tagen Kriegsschiffe wegen des amerikanischen Krieges. Nein, ich möchte die Vögel haben, und ein Nest mit Eiern dazwischen. Du kennst die Frisur doch –«
»Jawohl, Madame.«
Als die Frisur fertig war, nahm Judith den Handspiegel und betrachtete sich von allen Seiten. »Wirklich schön. Elf Zoll hoch?«
»Ja, ungefähr.«
»In Paris sollen die Damen so hohe Frisuren tragen, daß sie im Wagen knien müssen, wenn sie zu einer Gesellschaft fahren, um den schönen Aufbau nicht zu verderben.«
Angelique lachte, als sie die Kämme beiseite legte. »Meiner Meinung nach sind elf Zoll für die Kolonien schon sehr schön, Miß Judith.«
Judith hatte noch immer ein unbehagliches Gefühl wegen Dolores. Aber als sie in Silberwald ankamen und Dolores ihnen auf der Veranda lebhaft entgegenkam, wurden ihre Befürchtungen wieder beschwichtigt.
Die junge Frau sah wirklich anziehend aus, jedenfalls schön genug, um Caleb zu fesseln, obwohl er altüberkommene Anschauungen über die Ehrbarkeit der Frauen hatte. Sicher waren ihre kleinen Flausen und Lügen harmlos. Wenn sie sich ein paar besondere Federn ansteckte, um auf die Familie ihres Mannes Eindruck zu machen, war das schließlich kein allzu großer Fehler.
Judith beobachtete Gervaise, die kühl und zurückhaltend auf der anderen Seite des Tisches saß, und überlegte, ob auch sie Dolores für nicht ganz echt hielt. Als sie nach Hause aufbrachen, stieg sie mit Gervaise in Purcells Wagen, da Walter und Philip noch über ein Geschäft zu sprechen hatten und nebeneinander herritten, bis sich ihre Wege trennten. Als der Wagen angefahren war, fragte Judith unvermittelt:
»Gervaise, was denkst du über meine Schwägerin?«
Ihre Freundin zuckte die Schultern unter dem Mantel. »Sie ist reizend, solange sie den Mund hält.«
»Das meinte ich aber nicht.«
»Doch, das ist es.« Gervaise lächelte ein wenig ironisch. »Ich wünschte nur, daß sie englisch zu mir sprechen würde. Ihr Französisch ist einfach fürchterlich.«
Judith gab zu, daß sie es kaum verstanden hatte, aber sie beherrschte es ja selbst nicht.
»Sie spricht geradezu Negerfranzösisch«, erklärte Gervaise kurz. »Die gemeinen Ausdrücke, die sie gebraucht! Ich weiß wirklich nicht, wo sie manche Worte aufgelesen hat.«
Judith erzählte ihr, daß Caleb Dolores manchmal verbieten mußte, soviel auf englisch zu fluchen. »Sie kennt die Bedeutung der Worte nicht.«
Gervaise zuckte wieder ein wenig mit den Schultern. »Ich fürchte nur, sie hält uns für recht einfältig, daß sie uns solche Geschichten auftischt. Sie macht sich ein wenig groß.« Sie legte ihre Hand auf Judiths Arm. »Aber sie ist wirklich sehr schön. Sage bitte meinem Mann nicht, daß ich eine unfreundliche Bemerkung über sie gemacht habe. Er hält sie für außerordentlich anziehend.«
Judith hatte schon vorher beobachtet, daß Männer Dolores mehr schätzten als Frauen. Sie nahm sich vor, Philip nach ihr zu fragen. Er sollte ihr endlich sagen, was er wirklich von ihr dachte.
Nachdem sie den Kindern am Abend gute Nacht
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