Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Beziehungen zu den Engländern in Westflorida aufrechtzuerhalten, hatte aber doch großes Interesse daran, die Macht der englischen Rivalen zu brechen. Deshalb unterstützte er die amerikanischen Rebellen durch Proviantsendungen. Kanonenboote mit der gestreiften Flagge der Rebellen fuhren auf ihrem Wege nach Neuorleans immer häufiger an den Docks von Dalroy vorüber.
Die meisten Bewohner von Westflorida waren empört, daß diese Rebellenboote ungehindert Durchfahrt erhielten, und nur die Furcht, daß sie selbst nicht mehr mit ihren Booten in den Hafen von Neuorleans fahren dürften, hielt sie davon zurück, die feindlichen Fahrzeuge anzugreifen.
Aber Philip wollte wissen, was eigentlich vorging. Er hätte weder Streit mit den Engländern noch mit den Amerikanern, sagte er zu Judith, aber wenn er in Karolina geblieben wäre, dann würde er wahrscheinlich jetzt unter den Rebellen mitkämpfen. Und wenn man ab und zu Sendboten der aufständischen Amerikaner zum Essen einlud, erfuhr man bei der Unterhaltung, was sich draußen in der Welt zutrug.
Als daher Mr. Thistlethwaite auf seinem Weg den Strom hinauf mit einem verdächtig aussehenden Boot aus Neuorleans in Dalroy anlegte, machte Philip sich am Kai mit ihm bekannt und nahm ihn zum Essen nach Ardeith mit.
Mr. Thistlethwaite kam von Delaware. Er war ein großer, starker Mann, hatte ziemlichen Umfang und ein robustes Gesicht wie ein Beefsteak. Seine Sprache war so rauh, daß Angelique erschreckt auf die Veranda lief und die beiden Kinder in den Hof brachte, damit sie dort spielen sollten.
Die Sheramys von Silberwald waren an diesem Abend auch zum Essen eingeladen, und Mark und Caleb saßen bereits im Wohnzimmer. Philip holte sie auf die Veranda heraus und stellte Mr. Thistlethwaite vor. »Mrs. Larne kommt auch gleich«, sagte er dann. »Sie ist noch dabei, die Blumen zu begießen.«
»Oh, ich liebe es, eine Dame zwischen Blumen zu sehen«, erwiderte Mr. Thistlethwaite mit einer schallenden Stimme. »Es ist so süß und schön, sich eine Frau in solcher Umgebung vorzustellen.«
Philip und Caleb lachten.
»Meine Frau verstand sich auch sehr gut auf Gartenarbeit«, fuhr der Gast fort. Als er sich daran erinnerte, ging ein Grinsen über seine groben Züge. »Roten Fingerhut hatte sie besonders gern. Überall im Garten zog sie den. Aber heutzutage haben wir wenig Gelegenheit, uns um Gärten zu kümmern. Die verdammten Rotröcke zertrampeln die ganze Erde. Eine schwere Zeit, Mr. Larne. Alle Leute, die mitkämpfen, wollen Generäle sein, und das ist unmöglich, wie Sie wohl verstehen werden.«
Mark Sheramy erzählte, daß er an dem französischen Krieg teilgenommen hätte und daß damals dieselben Schwierigkeiten und Eifersüchteleien bestanden hätten.
»Ja«, erwiderte Mr. Thistlethwaite, »das ist immer die schlimme Sache.« Seine Stimme klang so laut wie ein Nebelhorn. »Jeder will ein großer Mann sein und kümmert sich überhaupt nicht um sein Land. Selbstlose Patrioten sind in diesen Tagen sehr selten. Aber wir rechtlich denkenden Amerikaner können schon unsere Soldaten im Zug halten. Ich sage Ihnen, die Tage, da es noch gekrönte Häupter gibt, gehen zu Ende. Alle Menschen sind frei und gleich –«
Judith hörte ihn, als sie ins Schlafzimmer ging, um sich umzukleiden.
»Philip bringt doch die sonderbarsten Menschen mit«, flüsterte sie Dolores zu, die im Garten mit ihr gearbeitet hatte.
»Wer ist es denn?«
»Einer dieser lauten Amerikaner, die man manchmal am Kai trifft. Wahrscheinlich wird er den ganzen Alkohol im Hause austrinken. Ob er wohl ein Glas Orangenwein mag? Es ist eigentlich viel zu heiß für Whisky.«
»Soll ich den Leuten sagen, daß sie Orangenwein holen?« fragte Dolores. »Ich bin schon fertig mit dem Umziehen.«
»Ja, möchtest du das tun? Sage einem der Diener, daß er ihn auf die Veranda bringen soll.«
Als Judith in die Halle trat, sah sie Dolores vorübergehen. Ein Diener mit einem Tablett, auf dem Weingläser standen, folgte ihr. Dolores sah in dem goldgelben Baumwollkleid, das vorzüglich zu ihrem dunklen Haar und ihren dunklen Augen paßte, hübscher aus als je. Kein Mensch hätte vermuten können, daß sie in anderen Umständen war.
Auf der Schwelle zögerte Dolores einen Augenblick. Mr. Thistlethwaite sprach sehr laut; die anderen drei lachten über seine Erzählungen und sahen sie nicht. Aber er hatte sie bemerkt und schlug mit der flachen Hand auf sein Knie, als er sie erkannte.
»Ja, was soll man denn dazu sagen?
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