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Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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durch den Flur zu seinem eigenen Zimmer.
    Das Haus war sehr ruhig, so ruhig, daß er glaubte, das leise Schnarchen seines Vaters im nächsten Raum zu hören. Plötzlich richtete er sich in seinem Bett auf. Er hatte geschlafen, und irgend etwas war zu seinem Bewußtsein durchgedrungen. Jenseits des Flurs hatte ein Kind geschrien. Da er nichts weiter hörte, zuckte er die Schultern und legte sich wieder nieder. Das mußte der kleine Negerjunge gewesen sein, denn Roger war noch zu klein, um so laut schreien zu können. Aber gleich darauf vernahm Caleb eine Stimme aus dem Kinderzimmer. Sein Herz begann heftig zu schlagen. Die Worte waren leise gesprochen worden, aber doch lauter, als die Person, die sie geäußert hatte, ahnen mochte.
    Caleb war nun vollkommen wach. Er wußte, daß es nicht zwei Frauen auf der Welt mit dieser Sprache gab. Sofort sprang er aus dem Bett, lief barfuß über den Flur und riß die Tür zum Kinderzimmer auf.
    Durch das große Fenster konnte er den sternbedeckten Nachthimmel sehen, und dagegen hoben sich die Umrißlinien einer Gestalt ab, die er wohl nicht erkannt hätte, wenn sie ihm weniger vertraut gewesen wäre. Die Frau hatte Roger auf dem linken Arm. In der Rechten hielt sie eine Pistole. Sie hatte die Waffe gegen die Amme gerichtet, die starr vor Schrecken an der Wand lehnte. Durch die Geräusche war das kleine Negerkind aufgewacht und schrie aus vollem Halse, während Roger nur leise weinte.
    »Lege das Kind sofort wieder in die Wiege!« rief Caleb wütend und stürzte auf das Fenster zu.
    Dolores fuhr herum und bedrohte ihn mit der Pistole, während sie Roger heftig an die Brust drückte. Im nächsten Augenblick fiel ein Schuß. Die Gestalten verschwammen in der Dunkelheit vor Caleb, als er einen heftigen Schmerz in der Seite fühlte.
    Obwohl er das Bewußtsein nicht ganz verloren hatte, versagte doch seine Zunge den Dienst. Er hatte die undeutliche Vorstellung, daß Dolores mit Roger auf dem Arm durch das Fenster stieg und daß die schwarze Amme zu erschreckt war, um sie aufhalten zu können. Er versuchte aufzustehen, war aber nicht dazu imstande. Inzwischen war jedoch das Haus wach geworden, und er hörte die Stimme seines Vaters:
    »Mach, daß du von hier fortkommst, du schamloses Frauenzimmer!«
    Caleb sah noch, daß Mark Sheramy Dolores das Kind aus den Armen riß, dann übermannte ihn der Schmerz so sehr, daß er ohnmächtig wurde.
    Judith ging vier Tage lang ruhelos in der Halle von Ardeith auf und ab. Sie war in größter Sorge, daß Caleb an seiner schweren Wunde sterben würde, und sie schwor sich, daß Dolores nie wieder den Fuß über ihre Schwelle setzen dürfte. Aber dann wurde sie plötzlich weich, weinte in bitterer Reue und bat Philip, zu dem Hause zu gehen, wo Dolores gefangen saß, und sie zurückzubringen. Er hatte das schon vorher tun wollen, denn der Raum, in dem man die Frau eingesperrt hatte, war ein entsetzlich unsauberes Loch. Aber er wußte, wie sehr Judith ihren Bruder liebte trotz aller Gegensätze, die zwischen ihnen bestanden, und solange Calebs Leben in Gefahr schwebte, wollte er sie nicht zwingen, die Frau als Gast bei sich aufzunehmen, die vielleicht an seinem Tod schuld war.
    Dolores hatte nicht einmal so viel Anstand, den beiden dafür zu danken. Als sie aus der Gefangenschaft kam, hatte sie nur den einen Wunsch, ein Bad zu nehmen. Sie blieb in Ardeith, aber sie war ein ungebetener Gast. Ihre Zeit brachte sie hauptsächlich mit David und Christoph zu.
    Caleb erholte sich wieder und ging in Philips Begleitung zum Gericht von Dalroy, wo er es sich viel Geld kosten ließ, um zu verhüten, daß Dolores öffentlich angeklagt wurde. Judith wußte nicht, ob Caleb dies aus Rücksicht für Dolores tat oder weil er wünschte, daß die ganze Angelegenheit so wenig Staub wie möglich aufwirbeln sollte. Sie kannte Caleb kaum noch wieder und konnte nur den Kopf schütteln, als Philip eines Tages zu ihr sagte, ihr Bruder sei ebenso hart wie die Felsen in Neuengland.
    Caleb versicherte aufs neue, daß er ein Haus für Dolores kaufen wollte, sobald sie Ardeith verließe. Andererseits hatte er ein Gesuch eingereicht, daß die Fürsorge für das Kind ihm allein übertragen werden sollte, und bis die Entscheidung darüber getroffen wurde, konnte Judith ihre Schwägerin nicht gut fortschicken.
    Sechs Monate später fällte der Königliche Gerichtshof in Seiner Majestät geliebter Kolonie Westflorida die Entscheidung. Die Begründung des Urteils füllte sieben volle

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