Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
dichtgedrängt am Kai, und Sklaven mit muskulösen Armen beluden sie mit den Erzeugnissen der Plantagen. Neger und Weiße standen zwischen den großen Warenballen umher, die überall aufgestapelt waren. Hier und dort sah man Gruppen von Soldaten, die entweder würfelten oder sich träge sonnten.
    Dolores blieb stehen und setzte ihren Kasten nieder. Die Sonne brannte bereits heiß, und die junge Frau war sehr müde und abgespannt. Der Kasten war doch schwerer, als sie anfänglich gedacht hatte. Ihre Arme schmerzten von der Anstrengung des Tragens. Wenn sie nicht unterwegs den Wagen getroffen hätte, der mit einer Ladung Indigo nach der Werft unterwegs war, hätte sie ihre Sachen wahrscheinlich nicht hierherbringen können. Von Ardeith mußten es wohl sechs oder acht Meilen bis zum Kai sein. Vielleicht war es auch noch weiter, aber sie war so müde und unglücklich gewesen, daß sie sich nicht viel um die Länge des Weges gekümmert hatte. Sie hatte den Kutscher gefragt, ob in Dalroy Boote nach Neuorleans führen. Aber der Schwarze war ein Feldsklave, der nichts von dem Bootsverkehr auf dem Strom wußte.
    Ein junges Mädchen ging umher und verkaufte Früchte. Dolores fiel es ein, daß sie seit gestern abend nichts mehr gegessen hatte. Sie winkte das Mädchen zu sich und kaufte ihr Bananen und Weintrauben ab. Ein paar kleinere Münzen hatte sie in eine gestrickte Börse gesteckt, die sie an einer Schnur um den Hals trug und in den Ausschnitt des Kleides gesteckt hatte.
    Den Rest des Geldes, das sie von Ardeith mitgenommen hatte, verwahrte sie in einer Tasche unter ihren Röcken. Sie war ärgerlich darüber, daß sie nicht mehr gefunden hatte. Die Larnes lebten so verschwenderisch, daß sie sicher irgendwo auf der Farm viel Geld liegen hatten. Aber sie hatte in der vergangenen Nacht nicht gewußt, wo sie danach suchen sollte. Nun, auf jeden Fall genügte die Summe, die sie besaß, um damit nach Neuorleans zu kommen. Sie wollte nur fort von diesen Menschen, die soviel Unglück und Elend über sie gebracht hatten. Sie haßte sie alle – Caleb, der ihr das Kind genommen hatte, als es erst sechs Tage alt war, den strengen alten Mann, der sie für eine verworfene Frau hielt, die Purcells mit ihrer gezwungenen Höflichkeit, und Philip und Judith, die so freundlich und liebevoll zu ihr waren, daß sie das Gefühl hatte, eine heimatlose Katze zu sein.
    Manchmal hatte sie gewünscht, daß man sie auf den Feldern arbeiten ließe oder ihr sonst etwas zu tun gäbe. Wenn sie doch nur aufhören wollten, unentwegt gut und freundlich zu ihr zu sein! Sie wäre auch schon längst vorher fortgelaufen, wenn nicht noch die Aussicht bestanden hätte, das Kind wiederzubekommen. Aber nachdem man ihr den kleinen Roger nun ganz genommen hatte, konnte sie den Anblick der Dalroy-Höhen nicht länger ertragen. Sie wollte auch keinem der Leute mehr begegnen, die das Kind so oft betrachten konnten, wie sie wollten. Roger war jetzt sechs Monate alt, und selbst wenn sie ihn hätte sehen können, würde sie ihn nicht mehr erkannt haben.
    Verzweifelt hatte sie zugehört, als Philip ihr die Entscheidung des Gerichts vorgelesen hatte. Ihrer Meinung nach war es unmöglich, daß ein so entsetzliches Urteil gesprochen werden konnte, und doch war es geschehen. Sie verstand das Englische nicht gut genug, um die langen Satzgebilde des Schriftstücks zu erfassen, aber sie begriff, daß Caleb sie aus seinem Hause fortgeschickt hatte und ihr niemals gestatten würde, ihr eigenes Kind wiederzusehen. Das erste hatte sie ja erwartet, und es lag ihr auch jetzt nicht mehr viel daran, obwohl sie Caleb in der ersten Zeit sehr geliebt hatte. Aber daß eine Anzahl von Richtern in weißen Perücken einen solchen Spruch fällen konnte, daß diese hochgelehrten Leute nicht wußten, das Kind gehörte ebenso zu ihr wie ihre Hände und Füße – das war unmöglich, und doch hatten sie es getan. Und nun stand sie hier am Kai, eine gesunde Frau, die sich bewegen, sprechen und gehen konnte, wohin es ihr gefiel, und trotzdem war sie hilflos und konnte die Richter nicht daran hindern, ihr dies anzutun. Selbst als sie ein Pferd aus Philips Stall genommen und versucht hatte, ihr Kind zurückzuholen, war nicht mehr dabei herausgekommen, als daß sie Caleb eine Kugel in die Seite geschossen hatte und selbst ins Wachthaus gesperrt worden war. Hätte sie dieses verdammte Negerkind im Dunkel eher gesehen, so hätte sie ihm ein Kissen über den Kopf legen können, daß man es nicht

Weitere Kostenlose Bücher