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Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Abschied, den Dolores von dem kleinen Roger nahm, nachdem sie eine Stunde lang mit ihm gespielt hatte. Auch Dolores hatte ihrer Kraft zu viel zugemutet. Als sie fortging, dankte sie Judith, aber sie fügte gebrochen hinzu: »Das darf ich nicht wieder tun. Schicke mir nur manchmal einen Neger, der mir sagt, wie es ihm geht.«
    Judith sah ihr nach, dann ging sie ins Haus und vergoß Tränen des Mitleids, als sie ihre beiden Kinder an sich zog.
    Später sagte sie zu Philip, sie könnte ihre Familie nicht allein lassen und nach Neuorleans gehen. Er antwortete, wenn sie nicht bald etwas ausgelassene Fröhlichkeit und Abwechslung erlebte, würde sie trübsinnig werden, und was könnte sie dann ihren Kindern bedeuten?
    Und als die Trennung erst einmal hinter ihr lag, fühlte sie sich in Neuorleans auch außerordentlich wohl. Michel Durand, der Bruder von Gervaise, wohnte mit seiner Familie in einem Haus an der Rue Royale. Es war wie ein hohler Würfel rings um einen viereckigen Hof gebaut. Die Haupträume lagen nach vorne, die Wohnungen der Schwarzen nach hinten. Judith fand das Leben der Kreolen bezaubernd. Es war herrlich, sich in einer Sänfte zu befreundeten Damen tragen zu lassen, um sie zu besuchen. Dann saß man zusammen auf Balkonen hinter durchbrochenem Gitterwerk, trank Kaffee und plauderte in diesem nachlässigen Französisch, das man in Louisiana sprach, über schöne Kleider und Politik. Oder es wurden Sklaven auf dem Markt gekauft, wo sich elegante Damen und Herren einfanden, um Kaffee zu trinken und sich zu unterhalten, als ob sie in einem Klub wären.
    Vor allem gefielen ihr die zahllosen Bälle. Sie tanzte mit vornehmen jungen Herren, die in Paris gewesen waren und die letzten Extratouren des Menuetts kannten. Viel Vergnügen machte es ihr auch, die Schiffe zu besuchen, die köstliche Waren von Frankreich brachten. Beglückt und verwirrt stand sie zwischen Ballen herrlicher Seidenstoffe, prachtvoll gestickten hohen Stöckelschuhen, Schnupftabaksdosen, Pariser Parfümflaschen, Kisten erlesener französischer Weine, zierlichem Glas und Porzellangeschirr und Modepuppen, die nach der letzten, von Marie Antoinette bevorzugten Mode gekleidet waren.
    Vielleicht waren es auch die Kreolen selbst, die das Leben so angenehm und leicht machten. Sie hatte noch niemals Menschen gesehen, die ein so heiteres Wesen und soviel angeborenen Charme besaßen. Die jungen Herren sagten ihr so entzückende Komplimente und schmeichelten ihr so sehr, daß sie zuweilen in ihr Zimmer eilte, sich im Spiegel betrachtete und all ihre Fehler und Mängel aufzählte, um nicht ganz und gar den Kopf zu verlieren.
    Die galanten Herren sagten höflich, ihr unsicheres Französisch klinge reizend, sie priesen ihre goldbraunen Augen und ihr schimmerndes Lockenhaar, das sie unter allen anderen Damen zu einer auffallenden Erscheinung machte. Die Kreolen waren fast alle dunkel. Sie ließ ihr Porträt von einem jungen Künstler namens Armand Bardou malen, der erst vor kurzem vom Studium an einem Pariser Atelier zurückgekehrt war und als die Sensation der Saison betrachtet wurde. Ihr Kopf und ihre Schultern hoben sich auf dem Bild von einem blauen Hintergrund ab, und der Maler geriet in Ekstase, wenn er von ihren Augen sprach. Er sagte, sie hätten die Farbe des gewaltigen Mississippistromes. Das Bild kostete sie zweihundert Pfund Tabak, aber obwohl ihr böses Gewissen sie anklagte, als sie die Anweisung auf die Plantage ausschrieb, wußte sie doch sehr wohl, daß Philip nichts dagegen einwenden würde. Er hatte ihr gesagt, sie solle sich jeden Luxus gestatten. Das Leben auf der Pflanzung war immer noch zu primitiv, als daß man dort in Versuchung kommen konnte, viel Geld auszugeben.
    Gervaise und Judith blieben über Neujahr. Im Januar zerstreuten sich die perlgrauen Nebel, und die Stadt lag wieder in strahlendem Sonnenschein. Gervaise liebte Neuorleans, denn diese Stadt war ihre Heimat. Sie war begeistert über jede Biegung des großen Uferdammes, über jede Palme auf der Place d'Armes. Aber Judith überkam allmählich Heimweh. Sie dachte daran, wie Philip in diesen Tagen über die Äcker reiten und die Tabak- und Indigofelder umpflügen lassen würde. Die Orangen waren jetzt reif, und sicher wurden die Kinder krank, weil sie zuviel von dem frisch geernteten süßen Rohr aussogen. Sie war eben doch ein Landkind und nicht an die Straßen mit ihrem Steinpflaster gewöhnt. Und sie trug schwer an der Trennung von Philip. Die galanten Schmeicheleien der

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