Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
noch zu betroffen, um zu wissen, wie sie sich dem König von Spanien gegenüber einstellen sollte. »Aber Philip«, fragte sie unsicher, »wird König Georg denn nichts dagegen unternehmen?«
»König Georg versucht nun schon seit vier Jahren, etwas wegen seiner anderen amerikanischen Kolonien zu tun, aber er hat keinen großen Erfolg damit gehabt. Hier ist der Burgunder. Laß uns auf den Tag anstoßen, an dem wir Spanier wurden, und auf unseren neuen König.« Er nahm die Flasche auf. »Also, auf den fünften Oktober siebzehnhundertneunundsiebzig und auf König – was meinst du wohl, wie der heißt?«
»Heißt er nicht Philip?«
»Nein. Das war der König, der mit der Königin Elisabeth Krieg führte. Ich glaube, der jetzige heißt Carl, aber ich weiß es wirklich nicht. Angelique, erinnere mich daran, daß ich mich nach dem Namen meines rechtmäßigen Herrschers erkundige.«
»Miß Judith«, fragte die Dienerin, »was meint er denn?«
»Ach, er hat zuviel getrunken«, erwiderte Judith.
Judith, überlegte, was man am Sonntag anfangen könnte, wenn man nicht zur Kirche ging. Es erschien ihr kaum passend, am Feiertag mit den Schlüsseln und dem Nadelkissen am Gürtel herumzugehen und sich um den Haushalt zu kümmern wie sonst. Schließlich half sie sich damit, daß sie am Sonntag ihre großen Gesellschaften gab. Bei Tisch zu sitzen und gut zu essen war keine Sünde, und sie empfand es als angenehm, einen ganzen Tag für die Vorbereitungen ansetzen zu können. Das war, soweit es Judith anging, die einzige Änderung, welche die spanische Herrschaft mit sich brachte.
Die meisten Kolonisten waren froh, daß Louisiana unter spanische Herrschaft gekommen war, und hielten es für einen Segen, denn Gouverneur Galvez erklärte gleich zu Anfang, daß er nicht die Absicht hätte, Land zu enteignen oder in den Handel einzugreifen. Da man jetzt nicht mehr zu schmuggeln brauchte, um die Waren nach Neuorleans zu bringen, hoben sich Handel und Verkehr bald wieder. Galvez sandte zwar irische Priester nach oben, die englisch sprachen, gab aber heimlich den Auftrag, daß niemand gezwungen werden sollte, die Messe zu besuchen.
Zu Anfang des nächsten Sommers kam Gervaise nach Ardeith und schlug Judith vor, sie auf einen längeren Besuch nach Neuorleans zu begleiten. Da das Land nun ungeteilt war, konnte man mit größerer Sicherheit reisen. Gervaises Bruder, der in Kürze eine Schiffsladung mit Schwarzen nach Dalroy auf den Markt bringen wollte, würde sie auf der Rückfahrt mitnehmen.
Judith war begeistert über diese Aussicht. Schon lange war es ihr Wunsch gewesen, die Hauptstadt des Mississippitales kennenzulernen. Philip beschwichtigte ihre Befürchtungen wegen der Kinder und sagte, daß man Angelique den Haushalt ruhig anvertrauen könnte.
Judith sagte, daß sie eigentlich einmal eine Erholung nötig hätte. Der Sommer mit seiner feuchten Hitze lastete schwer auf ihr, und die Moskitoplage war so groß, daß man drei Wochen lang ein Feuer um das Haus unterhalten mußte. Der Rauch drang in die Zimmer, und alles wurde schmutzig und schwarz, denn es war unmöglich, bei solcher Hitze die Fenster geschlossen zu halten. Die Indigoernte reifte heran und lockte zahllose Heuschrecken an. Obwohl Judith genug Arsen streute, um ein ganzes Heer dieser Tiere umzubringen, nahmen sie immer mehr zu.
»Gibt es denn kein Mittel, um sie so umzubringen, daß sie auch wirklich tot bleiben?« fragte Judith an einem heißen Morgen Angelique verzweifelt.
Die Dienerin lachte nachsichtig. »Miß Judith, ich glaube, die Familien der Toten kommen immer zur Beerdigung.«
Judith strich die feuchten Haare aus der Stirn und ärgerte sich darüber, daß die Kinder beim Spielen auf der Veranda soviel Lärm machten.
Es klopfte an der Tür. Cicero, der den Eingang zu bewachen hatte, steckte den Kopf herein und sagte, es wäre eine Frau draußen, die Miß Judith sprechen wolle.
»Ich will niemand sehen«, entgegnete Judith barsch. »Es ist zu heiß, um höflich zu sein. Angelique, geh hinaus und sprich du mit ihr! Wenn sie bettelt, gibst du ihr ein paar Geldstücke aus der Börse in meinem Zimmer.«
Die Dienerin entfernte sich, kam aber gleich zurück.
»Miß Judith, es ist Miß Dolores.«
»Ach, mein Gott!« Judith sprang auf. »Natürlich will ich sie empfangen. Führe sie herein!«
Dolores war also wiedergekommen! Die arme, kleine Dolores, zu der sie so freundlich hatte sein wollen, ohne Erfolg zu haben. Warum hätte Dolores sonst im letzten Jahr
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