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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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erschossen war, hatte die gräßliche Gewißheit sie zunächst wie ein harter Stoß vor die Stirn getroffen; doch die Verwirrung hatte sich in Zorn verwandelt; dann hatte sie den bitteren Entschluß gefaßt; wenn ich erst wieder frei bin, fang' ich noch einmal von vorne an; mich soll keiner dabei verhaften, wenn ich auf der Straße Männer anspreche! Eines Tages tauchten Soldaten in blauen Uniformen auf und forderten Corrie May nicht gerade freundlich auf, sich zum Teufel zu scheren; das Gefängnis wurde in ein Hospital verwandelt. Sie hatte keine Frage gestellt, sondern ohne weitere Umstände ihr Heil in der Flucht gesucht.
    Die Bananenschale flog in weitem Bogen in den Fluß; Corrie May nahm den staubigen Weg zum Stadtplatz unter ihre Füße; sie wollte sich nach Arbeit umsehen. Was in diesen Tagen sonst die Welt bewegen mochte, das bewegte sie nicht weiter; der Platz war immer schon der Mittelpunkt der Stadt gewesen. Sie wollte sich erkundigen, ob nicht das Gerichtsgebäude regelmäßig auszufegen und zu wischen wäre; damit ließen sich vielleicht ein paar Cents verdienen. Die Straßen flossen über von Soldaten aus dem Norden. Auf dem Rasen vor dem Amtsgericht drängten sich Neger in solcher Zahl, daß auch noch die benachbarten Straßen von ihnen voll waren. Sie schrien allesamt gewaltig Beifall, denn von den Stufen des Gebäudes hielt ein Mann in schwarzem Anzug schallend eine Rede. Corrie May konnte nicht umhin, einige seiner Sätze aufzunehmen.
    »… der gr-r-oße Adler-r-r, meine lieben Fr-r-reunde, der-r-r wie Moses euch aus diesem Land der-r-r-r Fesseln führ-r-te und der-r nun seine Schwingen schützend über-r-r eur-r-ren Häupter-r-rn brr-reitet …«
    Er schwengelte seine Arme hoch zum Himmel empor, und die Neger brüllten: »Jawoll, Boß, jawoll!«
    »… jener-r-r edle Adler-r-r, meine Fr-r-reunde, der-r-r die Fahne der-r-r Fr-r-reiheit hütet …«
    Corrie Mays Blick folgte seinen großartigen Gesten himmelwärts; eine Fahne flatterte da oben wohl, aber einen Adler konnte sie nicht entdecken. Adler gehörten auf die Rückseite der Geldscheine; anderswo hatten sie nichts zu suchen. Geld – richtig, sie wollte sich ja Arbeit suchen. Sie drängte sich durch den dichten Schwarm der Schwarzen.
    »Drängel nicht so, weißes Mädchen!« knurrte ein riesiger dunkelbrauner Mann sie an.
    »Was ist los?« wollte Corrie May wissen.
    »… frei unter der Fahne! Frei und gleich …«, bollerte der schwarzberockte Mann von den Stufen des Gerichtsgebäudes.
    »Jawoll! Hurra!« schrien die Neger.
    »Drängel nicht so!« wiederholte der schwarze Riese. »Hast wohl noch nichts davon gehört, daß wir jetzt frei und gleich sind, was? So frei wie du und so gut wie du!«
    »Na ja, sehr weit wird's damit nicht her sein«, erwiderte Corrie May geringschätzig. »Warum läßt du mich nicht vorbei?«
    Der klobige, dunkle Mensch starrte zu ihr herunter: »Dann mach, daß du auf den Fahrdamm kommst! Der Bürgersteig ist jetzt nur noch für schwarze Herren!«
    »Schwarze Herren, eh?« Corrie May griente. »Ach, du meine Güte!«
    Aber sie bog ab und ging auf dem Fahrdamm weiter. Ihr fehlte die Zeit, sich lange zu ärgern. Wichtiger war, daß sie eine Stellung fand. Erst mußte man etwas zu essen haben, dann blieb immer noch Zeit übrig, sich darum zu streiten, ob man den Bürgersteig benutzen durfte oder nicht.
    An seinem äußeren Rande umwanderte sie den schwarzen Haufen – er roch ein wenig nach wilden Tieren – und erreichte schließlich den seitlichen Eingang des Gerichtsgebäudes; von hier aus vermochte sie den immer noch laut daherschwadronierenden Redner aus der Nähe zu betrachten. Ein magerer Bursche, der da oben stand; und er sah aus, als wär' mit ihm im Ernstfall nicht gut Kirschen essen. Sein Gesicht schimmerte rot. Was konnte der Kerl sein großes Maul aufreißen; seine Lippen zogen dann nur einen dünnen Saum rundum. Die Augen, aus denen er blickte, waren klein und niederträchtig: ein gemeiner Kerl, der da oben, von niederem Stande; seinem Anzug hätte es gewiß nicht geschadet, wenn er gebügelt worden wäre; das Haar hing ihm viel zu lang über die Ohren und in die Stirn. Er stammte aus den Nordstaaten, das war nicht zu bezweifeln; er redete durch die Nase; und wenn er irgendwo ein Schluß-R zu fassen bekam, dann rollte und rummelte und schlug er einen Schweif damit. Aber Stroh, nein, Stroh hatte er nicht im Kopf! Er hantierte mit den Fäusten in der Luft und ließ seine Rockschöße flattern,

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