Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
sie das Recht, für Lohn arbeiten zu dürfen!« berichtigte er sie gut patriotisch. »Sie sind frei. Wir haben sie mit dem unschätzbaren Gut der Freiheit gesegnet!!!«
Corrie May kicherte: »Freundchen, du brauchst keine Rede zu halten. Ich weiß schon, was du meinst.«
Er antwortete ein wenig unwillig: »Du kannst es dir ruhig einprägen, du und alle Rebellen: die Neger sind frei. Ihr werdet euch dran gewöhnen müssen!«
»Ich hab' nichts dagegen, das kannst du mir glauben!« erwiderte sie. »Ich bin sogar heilfroh darüber!«
Er starrte sie an: »Froh? Du, ein Rebellenmädchen? Oder bist du nicht aus dieser Gegend?«
»Doch, ich bin hier geboren. Aber im Herzen bin ich wohl immer ein Yankee gewesen. Ich glaube, du verstehst nicht, was ich meine.« Sie zögerte, blickte zu Boden und schob mit der großen Zehe ein paar Sandbröckchen beiseite: »Ich weiß nicht recht, wie ich es sagen soll …«
Er lächelte, als er sie erröten sah: »Nur keine Angst, Kleine!«
»Also«, sagte Corrie May und faßte sich ein Herz, »es tut mir wirklich sehr leid, daß du deinen Arm verloren hast, und ihr habt recht daran getan, daß ihr Männer aus dem Norden alle in die Armee eingetreten seid und dann hierher marschiert seid und habt die Nigger in Freiheit gesetzt – ich meine: besten Dank dafür!«
Sie wandte sich schon, um den Korridor hinunterzulaufen, verlegen, wie sie war; aber er streckte seinen Arm aus und hielt sie zurück. »So was zu sagen, Fräuleinchen, das ist aber nett von dir!« Er schien nicht nur überrascht zu sein, sondern auch erleichtert, als hätte er schon lange darauf gewartet, jemand zu finden, zu dem er sich aussprechen konnte. Sie hielt inne und blickte ihn an. Jetzt war die Rolle an ihm, nicht recht weiter zu wissen. »Was ich noch sagen wollte – – du bist, weiß Gott, das erste Mädchen aus diesem Rebellenland, das freundlich mit mir geredet hat, das allererste, weiß Gott!«
Corrie May streifte mit einem kurzen Blick seinen leeren Ärmel und schaute ebenso schnell wieder fort: »Benehmen sich die anderen denn so hochnäsig?«
»Das kann man wohl sagen! Verdenken darf man's ihnen kaum, aber – verdammt einsam für unsereinen!«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Corrie May.
Er stotterte verschämt: »Würd' mich freuen, wenn ich dich mal wiedersehen könnte, bestimmt! Wie heißt du denn? Ich mein's anständig, das kannst du mir glauben!«
»Mein Name ist Corrie May Upjohn!« willigte sie ein.
»Ich bin Jed Lindsay. Einundzwanzigstes Regiment Indiana.«
»Sehr erfreut!« Und keiner von beiden wußte, was im Augenblick weiter zu sagen wäre. Dann schwang sie sich zu den Worten auf: »Jetzt muß ich aber sehen, daß ich weiterkomme. Wer ist denn dieser Mr. Gilday eigentlich?«
»Der Regierungsagent. Er hat für gute Ordnung zu sorgen und sich um die Neger zu kümmern.« Jed Lindsay verlegte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, blickte zur Seite und dann wieder hoch: »Und ganz gewiß, Corrie May Upjohn, hoffentlich findest du Arbeit da drinnen!«
»Ja, hoffentlich! Also, auf Wiedersehen!«
»Wiedersehen!« sagte Jed. Sie lächelten sich an. Corrie May wandte sich und betrat den langen Gang im Gerichtsgebäude.
Die Tür des Zimmers, zu dem Jed sie gewiesen hatte, stand breit offen. Die Fenster blickten auf den großen Platz hinaus, auf dem vor kurzem noch die Schwarzen versammelt gewesen waren. Ein riesiger, unaufgeräumter Schreibtisch wuchtete mitten im Zimmer; ein paar Stühle standen umher, an der Wand erhob sich ein Büchergestell; ein gewaltiger Spucknapf aus Messing prangte in einer Ecke, und sechs Männer mit den Beinen auf dem großen Schreibtisch schienen sich angelegentlich darin zu üben, ihre Treffkünste zu beweisen – was den Spucknapf anlangte. Als Corrie May ins Zimmer trat, blickten sie sich um und nahmen von dem Erscheinen der unerwarteten Besucherin offenbar nicht ohne Wohlwollen Kenntnis.
Corrie May merkte auf der Stelle, daß sie keinen schlechten Moment erwischt hatte, denn die Männer waren alle höchst vergnügt gestimmt, als hätte gerade einer von ihnen eine witzige Geschichte zum besten gegeben. Corrie May faßte sich ein Herz und marschierte auf die Runde los: »Ist einer von Ihnen Mr. Gilday?« erkundigte sie sich.
»Ich«, antwortete der Mann in dem großen Lehnstuhl hinter dem Schreibtisch. »Was wünschen Sie?« Er lächelte sie an; sie kam unwillkürlich auf den Gedanken, ob sie im Gefängnis vielleicht nicht doch noch ein wenig
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