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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Unbewußtsein aufzuhetzen drohte, in das sie endlich eingeglitten, seit die Sturzflut der Schmerzen verebbt war. Ann erwachte widerwillig; auch das Kindlein neben ihr wurde wach und fing an zu greinen. Halb noch im Traum zog Ann es näher zu sich her und versuchte, seine kleinen Schmerzenslaute zu besänftigen.
    Das Haus erdröhnte vor unerhörtem Spektakel; Türen krachten auf und zu; schwere Stiefel trampelten über die Treppen, durch die Hallen; Männerstimmen brüllten rings ums Haus. Zwischen den geschlossenen Vorhängen stahl sich ein Sonnenstrahl ins Zimmer; er war auf dem Teppich in der Mitte des Zimmers nur ein kleines Stückchen vorgerückt, wie sich Ann von einem Blick aus den Kissen belehren ließ; sie konnte nur eine oder zwei Stunden geschlafen haben. Oh, warum sorgte Mammy nicht dafür, daß Ruhe im Hause herrschte; Ann war noch immer wie steif vor Müdigkeit. Mammy sollte die rücksichtslosen Trampler zur Ordnung rufen; oder Cynthia oder Napoleon oder sonst wer sollte es tun! Was war überhaupt geschehen?
    Jählings flog die Tür auf. Ein Soldat in blauer Uniform stieß Mammy beiseite, ohne ihren kreischenden Widerspruch zu beachten. Und dann drang mit einem Male ein ganzer Schwall von blauen Uniformen ins Zimmer. Ann wurde gar nicht beachtet. Einer der Männer griff nach einem Kerzenhalter und schrie: »Sieh einer an, das Ding ist ja aus Silber!« Ein anderer stolperte gegen die leere Wiege und stieß sie um. Die Türen ihres Schrankes wurden aufgerissen; im Nu waren die Kleider Anns über das ganze Zimmer hin verstreut und wurden unter grimmigen Zoten verteilt; vor lauter Eile und Gier ging mehr als eines der sorglich gepflegten und gehüteten Stücke in Fetzen. Ann flog am ganzen Leibe in hilfloser Wut; ihre Arme umschlangen das Kind, als könnte sie es in all ihrer Schwäche noch beschützen. Sie erhob keinen Widerspruch; sie war zu nichts anderem fähig, als leise und schwächlich ins Kissen zu weinen. Bis dann ganz unerwartet von der Tür her sich Cynthias scharfe Stimme vernehmen ließ.
    »Und ich sage Ihnen, kommen Sie hier herein und schaffen Sie Ordnung! Die Männer bringen sie um! Haben Sie denn kein menschliches Gefühl im Leibe?«
    Ein Mann in der Uniform eines Hauptmanns brach sich durch den wüsten Haufen Bahn ins Zimmer. Er warf einen Blick auf das Bett und wandte sich: »Raus hier! Seht ihr nicht, daß das Mädchen die Wahrheit sagt! Raus, sage ich!«
    Die Soldaten ließen fallen, was sie gerade in der Hand hatten. Der Offizier erhob noch einmal seine Stimme. Widerwillig und mürrisch schoben sich die Männer schließlich aus dem Raum. Der Hauptmann stand vor Anns Bett. Er fragte:
    »Wann wurde das Kind geboren?«
    Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die immer noch über ihr Gesicht strömten; sie raffte sich zu der Antwort auf:
    »Vor etwa einer Stunde.«
    Sie hörte, wie der Offizier tief Atem holte. Für einen Augenblick verschlugen ihm die wenigen Worte die Sprache. Dann legte er seine Hand auf ihren Arm: »Bitte, verzeihen Sie uns, Madame!«
    Ann vermochte nicht zu antworten. Die schwächlich dummen Tränen strömten weiter über ihr Gesicht; sie waren nicht aufzuhalten. Der Offizier schob mit dem Fuß einen Unterrock beiseite, der sich in seinen Sporen zu verfangen drohte, und schritt zur Tür hinaus. Ann preßte die Hände über ihre Augen; wenn ich doch endlich aufhören könnte zu weinen, dachte sie; Zorn und Erschöpfung stritten in ihr um die Oberhand; wie gut, daß wenigstens dem Kinde nichts passiert ist! Allmählich schienen die Geräusche, die sie aus dem Schlaf gestört hatten, zu versiegen; nach einer weiteren Viertelstunde betrat Cynthia leise das Zimmer. Sie warf einen Blick auf die Wüstenei ringsum, welche die Soldaten zurückgelassen hatten. »Diese Kerle!« stieß sie hervor. Dann ließ sie sich am Bett auf die Knie fallen: »Ann, haben sie dir irgendwas getan?«
    »Nein!« flüsterte Ann. Nach einer Weile brachte sie mühsam die Frage vor: »Was haben sie hier gewollt?«
    »Ach, mit einem Male waren sie da. Ich spielte gerade mit Klein Denis weiter hinten im Garten, damit er dich nicht störe – da tobten sie plötzlich über die Allee aufs Haus zu, als hätte sie einer aus dem Boden gestampft. Ich kann dir noch gar nicht genau sagen, was sie alles angestellt haben. Die meisten Maultiere haben sie abgetrieben und eine Menge Hühner und Schinken gestohlen; das ganze Haus haben sie umgewühlt. Ich habe versucht, ihnen klarzumachen, wie es dir ginge; die

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