Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Gilday entpuppte sich als einer von der Sorte, die ihre Hände nicht von den Mädchen lassen kann, wo immer sie ihrer habhaft wird. Aber Corrie May nahm diese Versuche nicht weiter tragisch; sie war gewandt genug, sich ihrer Haut zu wehren. Sie mietete sich ein nettes Zimmer bei einer Frau, die ihren Mann im Kriege verloren hatte und froh war, einem anständigen Mädchen Unterkunft gewähren und regelmäßig die Miete kassieren zu können. Corrie Mays neue Wohnung lag nicht mehr am Rattletrap Square, sondern an einer der ehrenwerten, wenn auch bescheidenen Straßen oberhalb der Landungsbrücken. Bald erlaubte ihr auch der gute Lohn, sich ein paar hübsche Kleider zu kaufen und sich adrett anzuziehen.
Sie war nicht ohne inneren Widerwillen zum Rattletrap gewandert und hatte sich nach ihrer Mutter erkundigt. Mrs. Gambrell schlug die Hände über dem Kopf zusammen: ob sie es denn nicht erfahren hätte – ihre Mutter wäre schon seit einem Jahr unter der Erde! Und was ihren Vater, den alten Mr. Upjohn, anbeträfe, von dem wäre nichts mehr zu hören und zu sehen gewesen. Vielleicht lebte auch er gar nicht mehr! Es hatte sich ja herumgesprochen, wie es manchmal in den großen Schlachten zugegangen war; wer fragte schon groß nach einem Soldaten mehr oder weniger, besonders, wenn's kein Offizier war. So viele waren einfach verschollen.
Corrie May vergoß um ihre Mutter manche stille Träne. Auch all die anderen Freundschaften und Beziehungen, in die sie vor dem Krieg verstrickt gewesen, sie hatten sich in Nebel aufgelöst. Die Jahre vor ihrer Gefängniszeit versanken ins Ungewisse. Die Vergangenheit geriet ihr so gut wie ganz und gar abhanden; es war Corrie May, als finge ihr Dasein noch einmal von vorne an –
Nichts galt mehr, was gegolten hatte. Selbst die vertrauten Straßen am Hafen boten einen anderen Anblick als zuvor. Die ganze Stadt schwamm in einer Stimmung, die festlich und zu gleicher Zeit verärgert anmutete. Überall wehten Fahnen im Winde, prangten die gleichen Sterne und Streifen, die aus den Jahren vor dem Kriege jedermann bekannt waren. Damals allerdings pflegten sie nur vor wenigen öffentlichen Gebäuden zu flattern. Jetzt aber prahlte das Blau, das Rot und Weiß von allen Ecken und Enden her; man konnte sich müde daran gucken. Wenn die Leute von den großen Plantagen in die Stadt gefahren kamen, so waren sie zu üblen Umwegen gezwungen, um ja die aufgepflanzten Fahnen zu vermeiden; denn es war verordnet, daß jeder, der an der Fahne vorüberging, ihr eine Ehrenbezeigung zu erweisen hatte; und wie bitter sie die erzwungenen Grüße haßten! Corrie May fand diesen Haß durchaus erheiternd. Die großen Familien – war nicht dies Wort zu offenem Hohn geworden! – hatten ihren Krieg verloren, sie hatten ihre Sklaven verloren; nichts weiter blieb ihnen übrig, als ihre vollkommene Niederlage mit verwirrtem Ärger einzustecken. Sie hatten sich wohl in dem Traum gewiegt, mit dem lieben Gott ein Sonderabkommen geschlossen zu haben, wonach ihnen für alle Zeiten ein sorgloses Dasein verbürgt war; nun fühlten sie sich ganz offenbar vom lieben Gott betrogen.
In der Unionsarmee hatte eine Anzahl von Negern mitgekämpft; die spreizten sich wie die Truthähne. Weshalb und wozu man sie in den Straßen der südlichen Städte umherstolzieren ließ, das wußte kein Mensch – es sei denn, den ehemaligen Sklavenhaltern sichtbarlich zu Gemüte zu führen, daß sie den Krieg so gründlich wie möglich verloren hatten. Und natürlich trieben sich auch sonst und überall die befreiten Negerlein umher, wußten sich vor Übermut kaum zu fassen, pfiffen auf jede Arbeit und wuchsen sich allmählich zur Landplage aus. Die blaue Armee hatte außerhalb der Stadt ein Lager für sie eingerichtet, wo sie die Schwarzen fütterte und einigermaßen in Ordnung zu halten suchte; aber die Neger fanden wenig Spaß am Lagerleben. Ihre Phantasie schlug allzugern bunte Blasen; sie waren nun befreit und große Herren; die Regierung hatte sie mit wunderbaren Kutschen auszustatten, mit schönen Schlössern und mit Champagner tagein, tagaus. Bei alledem vermochte Corrie May sich das Lachen kaum zu verbeißen. Denn wenn sie auch nicht vorgab, zu den Eingeweihten zu gehören – daß die Agenten im Amtsgericht nicht die fromme Absicht hegten, die Nigger mit Champagner zu traktieren, das konnte selbst noch eine blinde alte Frau mit dem Krückstock fühlen. Die Soldaten und Zivilagenten aus dem Norden redeten den Negern wunderbar zu
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