Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Augen über Corrie May gleiten, wie sie da am Scheuereimer stand und ihren Lappen auswrang. »Du entwickelst dich allmählich zu einer sehr passablen jungen Dame, Corrie May!«
»Vielen Dank für das Kompliment, Mr. Gilday!« antwortete Corrie May, ohne sich umzuwenden. Sie war mit dem Aufwischen des Zimmers fertig, nahm ihr Staubtuch aus dem Arbeitskorb und fing an, die Stühle und Gestelle abzuwischen. Natürlich sehe ich nicht übel aus, dachte sie, in meinem blauen Baumwollkleid und mit meiner weißen Schürze – und mein gelbes Haar gebürstet und schön aufgesteckt. Hübsche Kleider und Schuhe zu tragen, ja, das machte wirklich Spaß! Und besonders dann, wenn man die angenehmen Dinge selbst verdient und gekauft hat. Der erborgte Glanz der abgelegten Kleider Anns vermochte sich mit der Freude an den selbsterworbenen Röcken, Strümpfen und Schuhen nicht zu vergleichen. Mr. Gilday nahm die Unterhaltung wieder auf:
»Bist du mit deinem Lohn zufrieden, Corrie May?«
»Ja, vielen Dank, Mr. Gilday!« erwiderte Corrie May; sie blickte von der Stuhllehne nicht auf, die sie gerade bearbeitete.
»Vielleicht können wir dein Gehalt demnächst erhöhen, Corrie May.«
»Sie sollten sich wirklich nicht überanstrengen, Mr. Gilday! Ich komme mit meinem Gelde gut aus.«
Er lachte. »Ich überanstrenge mich gewiß nicht. Du arbeitest ja für die Regierung; geradeso wie ich!«
»Die Regierung bezahlt uns sehr anständig«, bemerkte Corrie May.
»Ach, Unsinn!« meinte Mr. Gilday in bester Laune. »Der Regierung ist es vollkommen gleichgültig, ob es uns gut- oder schlechtgeht. Jeder muß sehn, wie er fertig wird, für wen auch immer er arbeitet. Und du, Corrie May, du bist schließlich nicht übers Ohr zu hauen, genausowenig wie ich – «
»Besten Dank für das Kompliment, Mr. Gilday! Sie lassen sich bestimmt nicht die Butter vom Brot nehmen.«
»Die Butter nicht – « wiederholte Mr. Gilday. »Bestimmt nicht! Und wegen der reichen Leute –? Was du da vorhin gesagt hast –, ich weiß nicht, ob ich dich genau verstanden habe. Aber ich kriege sie schon zu fassen, wo es ihnen weh tut. Weißt du zum Beispiel, was das hier für ein Buch ist? Lies mal, was auf dem Deckel steht!«
Sie ließ ihr Staubtuch nicht ruhen und meinte obenhin: »Ich verstehe nicht viel vom Lesen, Mr. Gilday.«
»Na schön!« fuhr er fort. »Trotzdem hast du mehr Verstand als manche, die da lesen und schreiben wie ein Wasserfall. Dies ist ein Buch, in dem alle Steuern verzeichnet sind, Corrie May, eine vollständige Steuerliste.«
Sie zog ihre Augenbrauen hoch. »Ihr zieht also die Steuern ein; das habe ich mir schon sagen lassen. Allerdings, ich habe mich nicht zu beklagen. Ich brauche keine Steuern zu zahlen.«
Er lachte. »Und wirst auch keine zu bezahlen brauchen, wenn du dich weiter hierherum in der Nähe aufhältst und keine Dummheiten machst. Die Leute, von denen du vorhin gesprochen hast, die Larnes, die Sheramys, die St. Clairs, die Purcells und so weiter, die sind jetzt an der Reihe und müssen blechen!«
Sie kicherte, ohne es eigentlich zu wollen. »Allmählich wird's auch Zeit, das kann man wohl sagen.«
»Ganz meine Meinung! Irgendwer muß den Krieg bezahlen. Und sie haben ihn angefangen – oder etwa nicht?«
»Und ob!« Corrie May ließ ihr Staubtuch ruhen; das Gespräch ließ sich anscheinend immer vernünftiger an.
»Und ob, jawoll!« wiederholte Mr. Gilday ihren Ausruf mit Behagen. »Drei Cent Steuer für jedes Pfund Baumwolle zum Beispiel, das zum Entkernen in die Maschine geht. Wer zahlt das?«
»Natürlich die Pflanzer!« erwiderte sie; ihr begann verschiedenes aufzudämmern.
»Und zwei Cent Steuer für das Pfund Zucker?« fuhr Mr. Gilday fort und kniff das linke Auge zusammen.
»Großartig!« sagte Corrie May voller Bewunderung. »Wirklich eine großartige Sache!«
Er nickte. »Allerdings! Und das ist noch längst nicht alles! Grundsteuern – wer bezahlt die denn? Du hast recht, Corrie May, es wurde allmählich Zeit, daß wir die Bande an ihrem Geldbeutel zu fassen kriegen!«
Corrie May reckte sich; sie fragte: »Aber müssen die Steuergelder nicht alle nach Washington geschickt werden, Mr. Gilday? Wir beide haben ja nichts davon.«
Mit engen Augen blickte er sie an und erwiderte: »Oh, doch, Corrie May! Du bekommst für deine Arbeit den besten Lohn; hast nie einen besseren erhalten. Und ich …«
»Nun –?«
Er zog ein Schubfach auf und brachte ein Papier zum Vorschein; ein Siegel baumelte daran.
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