Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
»Und ich? Ich habe mit der Regierung einen schönen, fetten Vertrag geschlossen, die Uferstraße zu reparieren.«
»Das freut mich aber; das ist bestimmt eine feine Sache. Dafür müssen Sie natürlich gut bezahlt werden.«
Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und stopfte sich eine neue Pfeife. »Und das beste daran ist, daß die Uferstraße gar nicht repariert zu werden braucht!«
»Doch!« rief sie aus. »Sie soll ganz und gar voller Löcher sein, ein tiefes Loch am anderen!«
Mr. Gilday stellte die kühle Gegenfrage: »Wer benutzt die Straße? Du etwa, oder ich? Wir haben draußen auf den Pflanzungen nichts verloren. Die Leute, die die Uferstraße benutzen, das sind die aus den großen Häusern an der Straße. Sie sollen sich ihre Straße selber reparieren und die Löcher selber zuschippen, wenn sie darin steckenbleiben!«
Corrie May mußte tief Atem holen. »Aber, Mr. Gilday, das – nein, das ist doch nicht ehrlich! Sie kassieren das Geld und tun nichts dafür!«
Mr. Gilday antwortete ungerührt: »Gib mir mal die Streichhölzer vom Tisch da drüben!«
Sie reichte ihm die Schachtel; er blickte sie über seine Pfeife hinweg aus engen Augen an. »Corrie May, ich will dir mal was sagen! Du hast keinen Grund, für diese Leute einzutreten. Und ich werde in kurzer Zeit ein recht wohlhabender Mann sein, wenn alles hübsch so weiterläuft wie bisher. Und du und ich, wir könnten wunderbar miteinander auskommen; du müßtest nur aufhören, deine Nase so hoch in die Luft zu stecken!«
Corrie May wandte sich von seinem Schreibtisch fort, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Mr. Gilday, ich bin niemals reich gewesen; aber meine Mutter hat mich zur Ehrlichkeit erzogen. Und Sie –? Sie sind ein Betrüger!«
»Na, na, nur sachte!« sagte er. »Ich sollte dich auf der Stelle an die Luft setzen – was meinst du?«
Sie meinte es eigentlich auch. Sie hatte das Wort gar nicht aussprechen wollen; es war ihr einfach entschlüpft vor lauter Erstaunen. Gilday hielt sie immer noch mit seinen Augen fest; um seine Mundwinkel zuckte es ironisch und vergnügt; er sagte: »Mach, daß du fortkommst, sonst packt mich womöglich doch der Zorn.«
»Ja, Herr!« Sie raffte Eimer, Besen, Schaufel zusammen, hielt aber an der Tür inne; es war ihr noch etwas eingefallen; sie vermochte sich nicht zu enthalten, es auszusprechen: »Zu der Frau, von der ich ein Zimmer abgemietet habe, kommen manchmal Leute zu Besuch und reden über Sie und die anderen Herren aus dem Norden, die hier im Gerichtsgebäude ihr Büro haben. Und manchmal gebrauchen sie ein Schimpfwort für Sie und Ihre Freunde!«
»Wie heißt denn das?« Corrie Mays Bekenntnisdrang schien ihn eher zu erheitern, als zu ärgern.
»Wenn Sie's also wissen wollen – ›Bündelbrüder‹ schimpft man sie!«
»Bündelbrüder –?« Gilday blies mit großer Sorgfalt einen Ring aus Tabakrauch in die Luft. »Nicht möglich! Wie gemein! Wie unfreundlich die Leute manchmal sind –! Was meinen Sie überhaupt damit?«
»Als die Regierungsagenten hier ankamen, da brachten sie nichts weiter mit als ein schäbiges, kleines Bündel, das sie bequem, in einer Hand tragen konnten«, erklärte Corrie May. »Aber sie werden alle reich hier unten, und wenn sie abreisen, dann haben sie die Taschen voll Geld; und für ihr Gepäck brauchen sie nicht nur ein Bündelchen, sondern gleich ein paar Möbelwagen.«
»Hmm«, machte Mr. Gilday. »Ich will die Krätze kriegen, wenn die Leute nicht recht haben.«
Daß und wie Corrie May ihn aufgeklärt hatte, schien ihn keineswegs zu entrüsten; im Gegenteil, es erheiterte ihn offenbar nicht wenig. Die hübsche Corrie May in der Tür, mit Besen und Schrubber bewaffnet, setzte noch einmal an: »Ich hab' es selber nicht verstanden, was das heißen soll: Bündelbrüder. Aber seit Sie mir von Ihrem Vertrag erzählten, habe ich begriffen, worum es sich handelt. Machen alle die Agenten aus dem Norden solche Geschäfte?«
»O nein!« ließ er sich vergnügt vernehmen. »Nur die tüchtigen!«
Corrie May drückte die Tür hinter sich ins Schloß.
Sie war richtig froh, als sie endlich eine Pause einlegen und sich zu Jed hinaussetzen konnte. Natürlich durfte sie sich nicht gerade bei ihm über die Bündelbrüder beklagen, denn Jed stammte auch aus dem Norden, und es wär' auch nicht taktvoll gewesen. Jed war ein so sauberer und ehrlicher Bursche, daß Corrie May es stets als Wohltat empfand, mit ihm zu plaudern. Er bot ihr wieder ein paar Äpfel an, die ihm
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