Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
seine Mutter geschickt hatte. Ja, wirklich, Jed gefiel ihr jeden Tag besser!
»Deine Mutter schickt dir aber eine Menge Äpfel!« meinte sie respektvoll.
»Sehr viel anderes hat sie nämlich nicht zu schicken, meine gute, alte Mama«, sagte Jed. »Ich wär' froh, wenn ich endlich mal für meine Mutter richtig sorgen könnte; außer mir hat sie niemand.«
»Das hätte ich mir auch gewünscht, für meine Mutter zu sorgen!« pflichtete Corrie May ihm traurig bei.
»Wo lebt deine Mutter?«
»Sie ist tot. Meine Leute sind alle tot.«
»Das ist schlimm! Aber wie du für dich selber sorgst –! Du bist wirklich tüchtig!«
»Ich bin nicht tüchtig!« sagte Corrie May.
»Doch, du bist tüchtig!« sagte Jed. »Ich muß dich bewundern, Corrie May! Ich selber bin leider nicht tüchtig.«
Corrie May blickte ihn von der Seite an. Nein, sehr tüchtig war er nicht; mit Mr. Gilday ließ er sich nicht vergleichen. Und einfache, ehrliche Leute wie sie selbst oder Budge oder Jed, die kamen wohl nie auf einen grünen Zweig. »Jed«, fragte sie, »glaubst du daran, daß gute Menschen wirklich in den Himmel kommen, wenn sie gestorben sind?«
»Daran glaube ich ganz bestimmt. Gute Menschen kommen in den Himmel!« erklärte er.
»Hoffentlich stimmt's!« meinte sie nicht ganz überzeugt. »Irgendwo und irgendwie sollten sie belohnt werden!«
»Corrie May« – nahm Jed nach einer Weile den Faden wieder auf, »Corrie May, ich habe mir verschiedenes überlegt. Wenn ich wieder in Indiana bin, dann mache ich einen Laden auf. Der Kongreß hat ein Gesetz erlassen, daß teilbeschädigte Soldaten wie ich fünfzehn Dollar im Monat Rente bekommen; davon kann man natürlich nicht leben; und mein ganzes Leben bloß so herumsitzen, das möchte ich auch nicht!«
Sie stimmte zu: »Das ist auch nichts. Weißt du denn, wie man ein Geschäft zu führen hat?«
»Ach, ich denke doch! Die Farmer in meiner Gegend kenne ich alle, und was sie brauchen auch! Ich denke an einen Laden, weißt du, in dem man alles mögliche kaufen kann, Bänder und Nadeln und Sensen und Pflüge und Hühnerfutter. Manchmal kann man auch noch die Postagentur übernehmen; man muß nur den Abgeordneten fürs Parlament kennen –! Hier im Süden gibt's solche Läden gar nicht; ich habe wenigstens noch keine angetroffen.«
»Nein – wo Nadeln und Sensen zu gleicher Zeit verkauft werden –, aber im Norden ist wohl vieles anders.«
»Im Norden ist alles ganz anders als hierherum«, bemerkte er wacker. Er schaute zu Boden und kratzte sich mit einem Stecken ein Bröckchen Lehm vom Absatz. »Ach – und was ich noch sagen wollte, Corrie May –.« Er zögerte mit einem Male und errötete.
»Was wolltest du denn sagen?« erkundigte sie sich liebenswürdig.
»Hmmm, willst du noch einen Apfel essen?«
»Gern! Schönsten Dank! Du bist wirklich nett zu mir!«
»Du bist ja auch ein nettes Mädchen!« sagte Jed. »Du bist – ich meine – du bist wirklich ein nettes Mädchen, Corrie May!«
Auch sie hatte ihre Augen abwärts gerichtet und spielte mit dem Apfel in ihrer Hand.
»Du sagst mir so viele Freundlichkeiten. Jed –!« meinte sie unbestimmt.
»Indiana würde dir schon gefallen, Corrie May. Das glaube ich ganz bestimmt!« setzte er abermals an.
»Warum auch nicht?« erwiderte Corrie May ein wenig unsicher. Jed stellte scharrend seine Füße um.
In diesem Augenblick trat Mr. Gilday aus der Tür; zwei der anderen Agenten aus dem Norden begleiteten ihn. Mr. Gilday grüßte Corrie May auf so freundschaftliche Manier, als hätte sie ihn nie im Leben einen Betrüger genannt.
»Sieh da, Corrie May! Wie geht's?«
Sie wandte den Kopf: »Danke, gut, Mr. Gilday!«
»Ich dachte mir, wir könnten zu Pailet essen gehen. Hast du Lust, mitzukommen, Corrie May?« fragte er.
»Nein, besten Dank! Ich habe keine Zeit!«
Die beiden anderen Herren lachten und blickten Gilday von der Seite an. Der ließ auch ein Lachen hören, ein kurzes, leises Auflachen, und meinte keineswegs verstimmt: »Das ist wirklich schade! Wir würden Bouillabaisse bestellen!« (Er sprach das schwierige Wort wie Bullybess aus.) »Kannst du wirklich nicht mitkommen?«
»Nein, Mr. Gilday. Ich muß wieder an meine Arbeit gehen.«
»So, so –!« sagte Mr. Gilday. »Nun, dann müssen wir schon mit uns allein vorliebnehmen, liebe Kollegen!« Ihn in Harnisch zu bringen war offenbar unmöglich. Was ihm auch immer begegnete, schien ihn zu erheitern – als wär' das Leben hier im Süden so schön, daß
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