Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
verwandelt worden. Schulgeld wurde nicht gefordert. Die Eltern hatten lediglich für die Bücher zu sorgen.
    Fred widersprach zunächst: er wolle nicht in die Schule gehen. »Die Jungen werden den ganzen Tag dabehalten«, sagte er.
    »Es macht aber Spaß, zur Schule zu gehen«, erwiderte Corrie May. »Außerdem bringt man es zu nichts im Leben, wenn man nicht lesen und schreiben kann.«
    »Du hast mir aber gesagt, Mutter, daß auch du nicht viel vom Lesen verstehst«, hielt er ihr entgegen.
    »Ja, und da siehst du mich nun!« gab sie ihm beinahe böse zurück. »Anderer Leute Wäsche muß ich waschen und uns damit das Brot verdienen. Und dabei bin ich eine weiße Frau.«
    »Du hast doch aber kein Geld, mir eine Fibel zu kaufen.«
    »Nächsten Sonnabend bekomme ich einen Dollar und dreißig Cents von einer Dame«, erwiderte Corrie May. »Das wird wohl reichen, um dir eine Fibel und eine Schiefertafel zu besorgen.«
    So ging Fred in jenem Herbst zum ersten Male zur Schule. Schon früh jeden Morgen erhob sich Corrie May vom Lager und kochte ihm einen großen Topf voll Hafergrütze, damit die neu zu erwerbende Wissenschaft auf nahrhafter Grundlage Wurzel schlagen konnte. Es dauerte nicht allzulange, und Fred wußte die Buchstaben des Alphabets alle auseinanderzuhalten; eines Nachmittags zeigte er seiner Mutter stolz die Schiefertafel, auf der in großen lateinischen Buchstaben
    FRED UPJOHN
    geschrieben stand. So stolz war Corrie May, daß ihr war, als müßte sie bersten; jetzt wußte er schon seinen Namen zu schreiben und war doch noch solch winziges Bürschchen.
    Der Winter brach an. Da geschah es eines Abends, daß sie, von ihren Botengängen heimkehrend, ihr Söhnchen in einer Ecke am Herd zusammengekringelt fand; Fred schluchzte und weinte bitterlich. Er wischte sich die Tränen mit dem Ärmel aus den Augen, als er seine Mutter die Küche betreten sah; sie eilte besorgt auf ihn zu: ob er krank sei oder was sonst ihm fehle?
    Nein, nein, sagte Fred, ihm fehle gar nichts. Er wollte nicht mit der Sprache heraus. Doch Corrie May bestand darauf, zu erfahren, was ihm solchen Kummer verursachte; schließlich bekannte er die Wahrheit.
    Sie pflegte ihm seine Hemden aus Mehlsäcken zusammenzustöppeln; an diesem Tage hatte sie ihm ein funkelnagelneues angezogen, das sie erst am Sonntag zuvor genäht. Der Baumwollstoff trug noch den Namen der Firma, die ihr Mehl in ihm zu liefern pflegte, und die Druckschrift war nicht genügend ausgewaschen; man konnte sie deutlich lesen. So war er mit der Marke ›Dillons Liebling‹ quer über den Rücken gedruckt in die Schule gekommen, und die anderen Kinder hatten ihn fürchterlich zum Narren gehalten; zur Schule ginge er nie wieder, niemals wieder!
    Corrie May versuchte ihn zu trösten; aber er war schon zu groß, um sich ohne weiteres ablenken zu lassen. Sie bereitete ihm sein Abendbrot und schickte ihn zu Bett. Bald war er eingeschlafen. Sie legte sich, nachdem sie aufgeräumt hatte, neben ihn aufs Bett, weinte ein wenig ins Kissen und schlief dann auch. Aber am nächsten Morgen war Fred nicht dazu zu bewegen, sich zur Schule auf den Weg zu machen. Sie mochte ihm zureden, soviel sie wollte: mit ›Dillons Liebling‹ auf dem Rücken wollte er das Haus nicht mehr verlassen.
    Corrie May erinnerte sich einer Dame, einer Mrs. Price, die ihr für die Wäsche zweier Wochen zwei Dollar schuldete. Die Damen ließen sie oft auf ihr Geld warten, wenn sie gerade den Betrag nicht passend zur Hand hatten; sie hielten es vielfach schon für ein frommes Werk, Corrie May mit Arbeit zu versehen – sie brauchte sie ja so dringend. Corrie May war diese Sorte christlich guter Werke zu gewohnt, um sich noch allzusehr darüber zu erregen. Doch heute machte sie sich auf, bei Mrs. Price vorzusprechen, und bat um die zwei Dollar: sie hätte eine allerdringendste Ausgabe und könnte das Geld nicht länger entbehren. Mrs. Price schien zunächst recht ungehalten und meinte, sie hätte in dieser Woche wirklich kein Geld. Aber schließlich ließ sie sich doch zu einem Dollar erweichen. Natürlich mußte Corrie May dabei ein paar Redensarten über sich ergehen lassen: wie dankbar sie zu sein hätte, daß sie überhaupt für anständige Leute arbeiten dürfte, wo sie doch ein Kind der Sünde in die Welt gesetzt hätte und so weiter.
    Corrie May antwortete geduldig: »Jawohl, Madame!« und lief mit ihrem Dollar in der Hand nach Hause, so schnell sie konnte.
    »Hier hast du einen Dollar!« sagte sie zu Fred. »Aber

Weitere Kostenlose Bücher