Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
vielleicht einen guten, starken Jungen zum Jäten. Mrs. Harris meinte, das könnte wohl zutreffen. Darauf empfahl ihr Corrie May ihren kleinen Fred; er säße den halben Tag unnütz herum, und für einen viertel Dollar würde er den Garten wunderbar in Ordnung bringen. Sie verabredete mit Mrs. Harris, daß Fred am Samstagnachmittag zum Jäten anzutreten habe.
Als Corrie May ihren Jungen aus der Schule kommen sah, nähte sie immer noch an seinem neuen Hemd; sie versteckte es schnell unter der Matratze. Dann erzählte sie ihm von dem Unkraut im Garten der Mrs. Harris und wie er einen viertel Dollar verdienen könne, wenn er den Garten säubere. »Für einen viertel Dollar«, erinnerte sie ihn, »kannst du genug Stoff für ein Hemd kaufen –!«
»Meinst du wirklich?« ließ Fred sich vernehmen; er fing an, schüchtern zu strahlen.
»Ob du wirklich schon verdienst, daß ich dir Arbeit verschaffe – « erwiderte sie obenhin. »Du mit deinen Wetten und deinem Geld verplempern.«
Er beteuerte: »Ich will auch ganz bestimmt nicht mehr wetten und mein Geld verplempern, ganz bestimmt nicht, Mama!«
»Na schön«, sagte Corrie May. »Komm jetzt und iß dein Abendbrot.«
Als er sich den viertel Dollar für ein Hemd verdient hatte, sie das andere unter der Matratze hervorholte und ihm klar wurde, daß er nun zwei besaß, gab es keinen stolzeren Knaben am ganzen Mississippi als Fred. »Hoffentlich läßt du dir das eine Lehre sein!« Damit endlich schloß Corrie May erzieherisch den ganzen Vorfall ab.
Sie ließ ihn die Schule lange besuchen. Er lernte nicht nur lesen und schreiben, sondern auch noch Zahlen zusammenzählen und erzählte ihr bald, daß er besser zu addieren verstünde als alle anderen. Corrie May wußte nicht recht, wozu es gut war, wenn man tüchtig rechnen konnte; aber die Lehrer schienen davon angetan; also mußte wohl etwas daran sein. Dann kehrte Fred eines Tages aus der Schule zurück und packte höchst erstaunliche Kenntnisse aus, die er gerade erst erworben hatte. Er berichtete seiner Mutter, daß Amerika durchaus nicht immer bekannt gewesen wäre. Ein Mann namens Kolumbus hätte erst über den Ozean segeln müssen, um es zu entdecken. Corrie May wollte nicht glauben, daß ihr Land jemals nötig gehabt hatte, entdeckt zu werden.
»Er hat es eben – so eben gefunden!« teilte Fred ihr mit.
Corrie May blickte sich um: »Na, verfehlen konnte er es ja schließlich nicht!«
Später wußte Fred von einem Mann namens Washington zu berichten, der das Land befreit hätte.
»Von wem befreit?« wollte Corrie May wissen.
»Von den Briten!« erklärte Fred.
»Wer ist denn das?«
»Das sind Leute von der anderen Seite des Ozeans.«
Sie seufzte. »Mein lieber Fred, ich glaube, diese Weisheit geht nicht mehr in meinen Kopf. Man will nicht mal gewußt haben, daß es überhaupt die Vereinigten Staaten gab; und dann mußten sie auch noch befreit werden, als man sie schließlich gefunden hatte?«
Fred lachte sie aus, und sie errötete.
Als Fred zwölf Jahre alt geworden war, wollte er in allem Ernst nichts mehr von der Schule wissen. Er mochte dort nicht mehr den ganzen Tag vertrödeln, während sie schwer arbeitete. Sie antwortete ihm nur, er solle den Mund halten: die Arbeit mache ihr nichts aus; außerdem trüge er ja am Samstag ihre Bündel aus und hülfe ihr den ganzen Sommer lang, wenn er Ferien hätte.
Fred beharrte darauf:
»Das ist ja doch keine richtige Arbeit. Ich bin jetzt groß genug. Ich will Geld verdienen.«
»Du mußt dir noch viel mehr Weisheitskram in deinen Kopf stopfen, Fred, bevor ich dich von der Schule lasse!« meinte Corrie May hartnäckig.
»Nein, Mama, ich habe wirklich genug gelernt. Ich kann so gut lesen wie irgendwer, und ich kann schreiben und rechnen. Mit dem Buchstabieren hapert's noch ein bißchen; aber rechnen kann ich besser als alle anderen. Und jetzt, Mama, wollen sie uns noch ganz verdammte Sachen beibringen …«
»Wirst du mal nicht solche Worte gebrauchen, Junge! Du treibst dich viel zuviel bei den Landungsbrücken herum.«
»Aber manche Dinge sind ganz verdammt!« erklärte Fred hitzig. »Wir müssen jetzt Verse lernen – solch ein Quatsch! Ich versteh' nicht mal, was sie bedeuten. Mama …« Er sprang auf und umarmte sie. »Mama, wenn sie uns nur was Vernünftiges in der Schule beibringen wollten. Aber Verse lernen und solchen Unsinn –! Nein, mit solchem Zeug lasse ich mir nicht den Kopf vollstopfen. Ich will Geld verdienen!«
»Ach was!« sagte
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