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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Zuckerrohr züchtet«, sagte sie dann wohl. »Aber ich merkte bald, daß ich kaum eine Ahnung davon besaß, wie die Felder in den einzelnen Jahreszeiten auch nur auszusehen haben.«
    »Hast du es dann gelernt?« fragte Denis.
    »Ja! Man kann beinahe alles lernen, wenn man muß. Anfangs natürlich hätte ich der geschickteste Pflanzer unter der Sonne sein können, es hätte mir wenig genutzt. Sie preßten so viel Steuern und Abgaben aus mir heraus, daß zum Leben fast nichts mehr übrigblieb. Ich mußte meine letzten Laken zerschneiden, um dir Kleider zu nähen.«
    »Es muß eine schreckliche Zeit gewesen sein«, sagte Denis leise schaudernd.
    »Ja, Lieber, es war eine schreckliche Zeit! Aber ich habe dir die Pflanzung erhalten, und nun wirst du sie dein Leben lang besitzen; wärst du nicht gewesen, so hätte ich die lange Quälerei nicht überstanden.«
    Denis blickte bewundernd zu ihr auf – und auch mit einer heimlich ehrfürchtigen Scheu.
II
    I n späteren Jahren wollte es Denis scheinen, daß ihm von frühester Jugend an nichts so nachdrücklich eingeprägt worden war wie die Pflicht, stets und ständig gute Manieren zu wahren. Erinnerte er sich seiner jungen Jahre, so trat ihm als erstes bedeutendes Ereignis jener Augenblick vor die Seele, in welchem die Mutter vor dem Bildnis seines Vaters ihm gesagt hatte: »Er war ein Herr. Einer der vollkommensten Edelleute, die je gelebt haben. Vergiß das nie!«
    Mit seinem Vater wäre er gut ausgekommen, wenn er ihn erlebt hätte – daran zweifelte Denis nicht; so gepflegt und fröhlich blickte er aus seinem Bildnis auf den Sohn hernieder. Obgleich die graue Uniform bewies, daß das Porträt kurz vor seinem Auszug in den Krieg gemalt worden war, erweckte es fast den Eindruck, als hätte er kurz vor einer angenehmen Abendgesellschaft Modell gestanden. Das änderte nichts an der Tatsache, daß der Vater Muster und Urbild eines Edelmannes gewesen war: freundlich zu Untergebenen, ritterlich den Damen gegenüber, von untadelhafter Haltung unter seinen Freunden. Wenn Denis sich in schwierigen Lagen den Kopf zerbrach, wie er sich zu verhalten hatte, so brauchte er sich nur zu fragen: »Was hätte mein Vater unter den gleichen Umständen getan?« Das hatte seine Mutter ihm beigebracht; und er wagte nie, an den Lehren der Mutter zu zweifeln.
    Denis erinnerte sich daran, wie seine Mutter sich mit den Jahren leise verändert hatte. Durch seine frühesten Vorstellungen schritt sie als eine Frau, die scheinbar niemals jung gewesen war; so unnachgiebig bestand sie auf reinem und schönem Englisch, auf untadeligem Benehmen, daß er erst als Erwachsener begriff, nicht alle Knaben wurden so erzogen. Manchmal ging sie leise zärtlich mit ihm um; manchmal aber riß sie ihn heftig an sich, als fürchtete sie, er könnte ihr geraubt werden.
    Oftmals belauschte er andere Frauen, wie sie seine Mutter die bestangezogene Frau des Landes nannten. Wer sich eine große Dame vorstellen wollte, eine selbstsichere und unnahbare Persönlichkeit, der dachte an Mrs. Ann Sheramy-Larne. Alles, was sie tat, war so vollkommen richtig, daß niemand es jemals in Frage stellte – ausgenommen Cynthia dann und wann, die von Natur wenig Talent für Ehrerbietung mit auf den Weg bekommen hatte. Doch sogar Cynthia wurde von der Mutter des kleinen Denis zurechtgewiesen, wenn sie sich ironischer Bemerkungen unterfing.
    Der kleine Denis konnte seine Tante Cynthia manchmal nicht begreifen; aber langweilig war sie nie. Einige Tage nach Denis' zwölftem Geburtstag ereignete es sich von ungefähr, daß Cynthia zu ihm ins Wohnzimmer trat. Er saß am Kamin und erledigte seine Rechenaufgaben; am Tage darauf hatte er wieder nach Silberwald zu fahren, um mit seinen Vettern den ständigen Unterricht in Algebra, Latein und anderen Fächern zu genießen. Als Cynthia mit ihrer Näharbeit ins Zimmer trat, schob er sein Buch zur Seite, sprang auf und zog der Tante einen Stuhl an die andere Seite des Kamins. Obgleich Wolken den Tag verschatteten, fiel auf die Stelle, an welcher Tante Cynthia Platz nehmen wollte, ein unangenehm blendendes Licht. Aufmerksam zog Denis den Vorhang vor eins der Seitenfenster, damit Cynthia unbelästigt nähen konnte. Sie murmelte im Niedersetzen: »Vielen Dank, Denis!« Um die Winkel ihres dünnen Mundes zuckte ein kaum merklicher Sarkasmus. »Ich tat es gern, Tante Cynthia!« erwiderte Denis. Doch als er sich wieder an seine Algebra zurückbegeben wollte, streckte Cynthia die Hand aus und hielt ihn

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